Verbotsverfahren legt Extremismus und Schwäche der NPD offen
Karlsruhe (dpa) - Zum Abschluss der mündlichen Verhandlung im NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist neben der rechtsextremen Agitation auch die organisatorische Schwäche der Partei deutlich geworden.
Teile der NPD befänden sich immer noch in der Gedankenwelt des Nationalsozialismus, sagte der frühere Bundesvorsitzende Holger Apfel, der inzwischen aus der Partei ausgetreten ist, am Donnerstag in Karlsruhe. Gleichzeitig sei die NPD in ihrer Schlagkraft immer überschätzt worden. Bis zu einem Urteil werden die Richter wohl monatelang beraten. (Az. 2 BvB 1/13) Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sah Fortschritte auf dem Weg zu einem NPD-Verbot.
Die Innenminister von Bayern und Mecklenburg-Vorpommern, Joachim Herrmann (CSU) und Lorenz Caffier (CDU), berichteten von verfassungsfeindlichen Aktivitäten der NPD. Von der Richterbank kamen immer wieder kritische Nachfragen zur tatsächlichen Wirkungskraft der Partei. So werde in mehreren Verfassungsschutzberichten festgestellt, dass die NPD kaum kampagnenfähig sei.
Herrmann sagte, die NPD stehe eindeutig in der Tradition des Nationalsozialismus. Ihre Ideologie der Volksgemeinschaft stehe im Gegensatz zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Die NPD spiele auch ohne Wahlerfolge in Bayern eine führende Rolle in der rechtsextremistischen Szene. „Es geht um die geistige Brandstiftung, die von der NPD ausgeht.“ In der aktuellen Diskussion um Zuwanderung schüre die Partei Ängste in der Bevölkerung.
Die Gefährlichkeit der NPD mit ihren rund 5200 Mitgliedern bemisst sich nach Überzeugung des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) nicht nur an ihrer Größe. Sie schüchtere Bürger ein und bedrohe sie. „Deswegen ist es nicht eine Frage der Größe der Mitgliedschaft, sondern es ist die Frage, was tut sie.“
Der NPD-Bundesvorsitzende Frank Franz kam bei Fragen der Verfassungsrichter zum Volksbegriff der Partei und zur Absicht, Ausländer auszuweisen, immer wieder ins Schwimmen. Der Funktionär Jürgen Gansel, der zu den ideologischen Köpfen der NPD zählt, machte deutlich, dass Ausländer aus seiner Sicht zwar deutsche Staatsbürger, niemals aber Mitglieder der „Volksgemeinschaft“ werden könnten.
An den ersten beiden Verhandlungstagen war es zunächst um formale Fragen gegangen. Anschließend erörterten die Prozessbevollmächtigten beider Seiten und das Gericht die rechtlichen Grundlagen des Verfahrens. Mehrere Politikwissenschaftler und eine Journalistin berichteten über Organisationsgrad und Vorgehensweise der Partei vor allem in ihren Hochburgen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.
De Maizière sagte der „Nordwest-Zeitung“ (Freitag): „Ich bin froh, dass das Gericht zu der Einschätzung gelangt ist, dass keine Verfahrenshindernisse vorliegen und jetzt in die Prüfung der Verbotsvoraussetzungen eingestiegen ist.“ Dies sei ein wichtiger Schritt. „Jetzt stehen die Richter vor der Herausforderung, die materiellen Voraussetzungen für ein Parteiverbot zu konkretisieren und zu gewichten.“ Er würde es begrüßen, „wenn der Antrag erfolgreich wäre und damit den aggressiv verfassungsfeindlichen Aktivitäten der NPD keine legale öffentliche Plattform mehr geboten wird“.
Das Grundgesetz stellt hohe Anforderungen an das Verbot einer Partei. Das Verbreiten verfassungsfeindlicher Ideen allein reicht nicht aus. Das Bundesverfassungsgericht war beim letzten Parteiverbot in den 50er Jahren davon ausgegangen, dass eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der demokratischen Grundordnung dazukommen muss. Heute muss ein Verbot auch vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof bestehen. Im Verlauf der Verhandlung zeichnete sich ab, dass die Verfassungsrichter der Frage der tatsächlichen Bedeutung der NPD im politischen Geschehen einen hohen Stellenwert beimessen.
Ein erster Versuch, die NPD verbieten zu lassen, war 2003 frühzeitig gescheitert, weil die Partei bis in die Spitze hinein mit sogenannten V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt war. Die Länder haben jetzt versichert, dass seit 2012 keine V-Leute mehr aktiv sind.