Verein Pro Asyl: „Heime sind keine rechtsfreie Zone“
Marei Pelzer von Pro Asyl zu den Misshandlungen von Flüchtlingen in Unterkünften in Nordrhein-Westfalen.
Düsseldorf. Nach den Misshandlungsvorwürfen gegen Sicherheitskräfte in mindestens drei Flüchtlingsheimen in NRW stellt sich die Frage, ob es sich dabei um Einzelfälle oder ein strukturelles Problem bei der Unterbringung von Asylbewerbern handelt. Ein Gespräch mit Marei Pelzer, der rechtspolitischen Referentin des Vereins Pro Asyl in Frankfurt.
Frau Pelzer, glauben Sie, dass es sich bei den bis jetzt bekannten Vorwürfen um Einzelfälle handelt?
Marei Pelzer: Die schrecklichen Bilder der Folterszenen, wie wir sie jetzt aus Burbach gesehen haben, sind bei unserer täglichen Arbeit zum Glück eher die Ausnahme.
Wie kann es überhaupt zu diesen Vorfällen kommen?
Pelzer: Das ist in erster Linie ein strukturelles Problem — nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Zum einen fehlt für solche Einrichtungen eine funktionierende Aufsicht. Da sind das Land und die Kommunen in der Pflicht, dafür zu sorgen. Diese Unterkünfte sind schließlich keine rechtsfreien Zonen. Zum anderen gibt es für die Menschen in den Einrichtungen bisher keine Möglichkeit, sich bei einer unabhängigen Stelle beispielsweise über Übergriffe zu beschweren.
An was denken Sie da?
Pelzer: Es braucht eine Beschwerdestelle, die unabhängig vom Betreiber agiert. Zudem müssen in den Heimen mehr Sozialarbeiter eingesetzt werden.
Ist es aus Ihrer Sicht überhaupt sinnvoll, dass private Anbieter Flüchtlingsheime betreiben?
Pelzer: Grundsätzlich ist die Unterbringung von Asylsuchenden eine hoheitliche Aufgabe —, aber der Staat wälzt sie auf private Betreiber ab. Dabei geht es in erster Linie um Geld. Natürlich ist es so, dass die Qualität leidet, wenn ein Billiganbieter diese Aufgaben übernimmt. Der Staat ist aber in der Pflicht, Vorgaben für die notwendigen Standards zu machen. Damit meine ich nicht nur die Unterkünfte selbst. Auch für die Auswahl des Personals müssen Vorgaben gemacht werden.
Also am besten gar keine privaten Betreiber?
Pelzer. Zumindest, wenn diese sich als völlig ungeeignet erweisen. Noch besser ist es aber, Flüchtlinge möglichst schnell in Wohnungen unterzubringen. Besonders die Kinder leiden häufig in den Massenunterkünften. Die deutsche Lagerpolitik dient eher dazu, weitere Flüchtlinge abzuschrecken. Dabei ist Deutschland ein reiches Land, das sich eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik leisten kann.
Es heißt immer wieder, dass Kommunen durch zu viele Flüchtlinge an ihre Grenzen stoßen. Das erinnert stark an die „Das-Boot-ist-voll-Rhetorik“ der 90er. Glauben Sie, dass dadurch Vorfälle wie in Burbach befeuert werden?
Pelzer: Natürlich ist es wichtig, darüber zu sprechen, wie man den Städten strukturell und finanziell helfen kann. Aber ebenso natürlich spielt die Sprache vor allem von den politisch Verantwortlichen in solchen Diskussionen eine Rolle. Wir warnen eindringlich davor, mit Überforderungsbildern zu hantieren, weil sie Alltagsrassismus zusätzlich befördern. Ob sich die Schläger von Burbach dadurch ermuntert fühlten, kann ich schlecht beurteilen. Übergriffe sind aber die Folge von falschen Strukturen.