Verfassungsrichter zerpflücken BKA-Gesetz

Karlsruhe (dpa) - Wieder eine Zurechtweisung aus Karlsruhe: Das Bundesverfassungsgericht zeigt den Sicherheitsbehörden beim Anti-Terror-Kampf neue Schranken auf. Die umfangreichen Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) zur Terrorabwehr sind zum Teil verfassungswidrig.

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Das BKA-Gesetz muss deshalb bis Ende Juni 2018 stark nachgebessert werden. Das entschieden die Richter am Mittwoch. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte zum Teil Unverständnis für die Einwände. Kläger, Datenschützer und Oppositionspolitiker begrüßten das Urteil dagegen. Linke und Grüne werteten es als Klatsche für die Politik der großen Koalition.

Um Terroranschläge zu verhindern, darf das BKA seit 2009 unter anderem Wohnungen verwanzen und mit Kameras ausspähen. Das reformierte BKA-Gesetz ist auch Grundlage für den „Bundestrojaner“, eine eigens entwickelte Software, die auf der Computer-Festplatte eines Terrorverdächtigen Daten zum Beispiel aus Chats abschöpft.

All das ist laut Gericht zwar im Grundsatz mit den Grundrechten vereinbar. Die konkrete Ausgestaltung der Befugnisse durch den Gesetzgeber sei aber in verschiedener Hinsicht ungenügend, sagte Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof. Der Senat habe „in etlichen Einzelvorschriften unverhältnismäßige Eingriffe festgestellt“. Vor allem sei der Kernbereich privater Lebensgestaltung zum Teil nicht ausreichend geschützt.

Besonders hohe Anforderungen formuliert das mehr als 100 Seiten starke Urteil (1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09) für die Überwachung von Wohnungen und die Online-Durchsuchung. Aber auch für den Datenaustausch mit anderen Behörden im In- und Ausland nennen die Richter klare Bedingungen. Das Urteil würdigt allerdings ebenso die Bedeutung des Anti-Terror-Kampfs für Demokratie und Grundrechte.

Die umfangreiche Prüfung der Bestimmungen habe im Ergebnis zu einer Grundsatzentscheidung zum Datenschutzrecht geführt, sagte Kirchhof. Das Urteil fiel jedoch nicht einstimmig. Drei der acht Richter schlossen sich in wichtigen Punkten der Mehrheitsmeinung nicht an.

De Maizière beklagte, es gebe einige Bedenken des Gerichts, die er nicht teile und die den Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht erleichterten. „Leben müssen wir damit trotzdem.“ Das Urteil sei zu respektieren. Er werde sich aber dafür einsetzen, die vom Gericht aufgezeigten Handlungsmöglichkeiten bei der Nachbesserung voll auszuschöpfen. Die Befugnisse im Kampf gegen den Terror müssten „praktikabel anwendbar“ bleiben. Der Informationsaustausch unter den Behörden im In- und Ausland müsse erhalten und noch ausgebaut werden.

Ob die Koalition die Nachbesserungen noch in dieser oder erst in der nächsten Legislaturperiode angeht, ließ de Maizière zunächst offen. Die zahlreichen beanstandeten Regelungen dürfen bis dahin teilweise nur mit Einschränkungen oder Auflagen angewandt werden.

Hintergrund waren zwei Verfassungsbeschwerden (Az. 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09) - unter anderen von Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) und mehreren Grünen-Politikern wie Hans-Christian Ströbele.

Der ehemalige Bundestags-Vizepräsidenten Burkhard Hirsch, der eine der Klagen in Karlsruhe vertreten hatte, sieht durch das Urteil Auswirkungen weit über das BKA-Gesetz hinaus. Ähnliche Bestimmungen gebe es auch im Verfassungsschutzgesetz, in der Strafprozessordnung und in anderen Regelungen. Baum sagte, durch das Urteil seien die Maßstäbe wieder zurechtgerückt. Nun müsse das Parlament nacharbeiten.

Ströbele wertete die Entscheidung als weitere herbe Niederlage für die schwarz-rote Koalition vor Gericht. Vor der Verabschiedung des Gesetzes 2008 habe sie alle fachlichen und rechtlichen Bedenken in den Wind geschlagen. Selten sei ein Gesetz vor Gericht so auseinandergenommen worden wie nun das BKA-Gesetz.

Die Linke-Politikerin Ulla Jelpke nannte das Urteil eine „Klatsche für die Law-and-Order-Politiker“ der großen Koalition. Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff sprach von einem „Meilenstein für das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit“. FDP-Politiker äußerten sich mit Genugtuung und erklärten, die Koalition habe sich einmal mehr für ein bürgerrechtsfeindliches Gesetz von Karlsruhe belehren lassen müssen.