Verfassungsschutz sucht Querdenker

Behörde nimmt Gestalt an. Konsequenzen aus NSU-Desaster.

Berlin. Weil auch die Verfassungsschützer über zehn Jahre lang nicht erkannt hatten, dass die sogenannten Döner-Morde in Wirklichkeit eine rechtsextremistische Terrorserie waren, und weil sie zudem mögliche Hinweise auf die Täter verschluderten, geriet der Geheimdienst im vergangnen Jahr heftig in die Kritik. Die interne Aktenvernichtung kam noch hinzu. Sogar die Sinnfrage wurde gestellt und die Abschaffung gefordert.

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) setzte jedoch auf eine Reform und einen neuen Mann an der Spitze: den 50-jährigen Hans-Georg Maaßen. Am Mittwoch verkündeten beide erste Ergebnisse. Demnach bleibt es zwar bei der jetzigen Struktur — ein zentrales Bundesamt für Verfassungsschutz und 16 Landesämter. Aber: Das Bundesamt bekommt eine stärkere „Zentralstellenfunktion“.

So wird dort eine zentrale Datei der V-Leute geführt, damit alle Ebenen wissen, wo überall geheime Informanten im Einsatz sind. Auch werden die Kriterien für den Einsatz dieser V-Leute vereinheitlicht. Kriminelle sollen nicht mehr geworben werden dürfen. Auch soll die Belohnung für Informationen nicht so hoch sein, dass die Informanten damit ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Zur besseren Koordination soll auch das neue gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum in Köln und Meckenheim beitragen. Dass die Verfassungsschützer auf dem rechten Auge blind seien oder alten Feindbildern aus dem Kalten Krieg folgten, gehörte ebenfalls zu den Kritikpunkten.

Nun soll jede analytische Auswertung der nachrichtendienstlich gewonnenen Informationen noch einmal von einer internen Gruppe „Fachprüfung Auswertung“ kontrolliert werden. Hierfür suche man ausdrücklich „Querdenker“, sagten Friedrich und Maaßen. Also Mitarbeiter, die die formulierten Thesen und Schlussfolgerungen noch einmal grundlegend in Frage stellen.

Generell soll das Bundesamt „analytischer“ werden und die Politik mehr beraten. Dazu gehört eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit der bisher eher öffentlichkeitsscheuen Schlapphüte.