Volles Sorgerecht auch für unverheiratete Väter

Berlin (dpa) - Auch unverheiratete Väter sollen künftig uneingeschränkt das Sorgerecht für ihre Kinder ausüben können - notfalls auch gegen den Willen der Mutter. Dies sieht der am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligte Gesetzentwurf zur Reform des Sorgerechts vor.

Voraussetzung ist, dass das Wohl des Kindes nicht beeinträchtigt wird. Nach Auffassung des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) und auch anderer Kritiker fällt der Gesetzentwurf allerdings hinter den Erwartungen zurück.

Mit der beabsichtigten Sorgerechts-Neuregelung zieht die Bundesregierung die Konsequenzen aus mehreren eindeutigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Bundesverfassungsgerichtes. In den Urteilen war die bisherige deutliche Begünstigung der Mütter gegenüber unehelichen Vätern in Sorgerechtsstreitfragen beanstandet worden.

„Leitbild des Entwurfs ist, dass grundsätzlich beide Eltern die Sorge gemeinsam tragen, wenn das Kindeswohl dem nicht entgegensteht“, sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nach der Kabinettsentscheidung. Für ein Kind seien grundsätzlich beide Eltern wichtig und es solle nach Möglichkeit auch beide Elternteile als gleichberechtigt erleben.

Etwa jedes dritte Kind in Deutschland wird heute von einer unverheirateten Mutter geboren. 1995 waren dies erst 15 Prozent. Das neue Sorgerecht gilt nach Inkrafttreten auch für Altfälle, die seit vielen Jahren die Familiengerichte beschäftigen. Unter Rot-Grün war unverheirateten Paaren bereits Anfang 2000 zugebilligt worden, unmittelbar bei Geburt des Kindes das gemeinsame Sorgerecht zu beantragen. Der Europäische Gerichtshof wie auch das Verfassungsgericht verlangten jedoch auch eine Regelung für Altfälle.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte, mit der Neuregelung werde ledigen Vätern der Zugang zum Sorgerecht vereinfacht. Mit einem Antrag beim Familiengericht kann der Vater die Mitsorge beantragen. Äußert sich die Mutter innerhalb einer Sechs-Wochen-Frist zu dem Antrag nicht oder trägt sie lediglich Gründe vor, die nichts mit dem Kindeswohl zu tun haben, wird die Mitsorge laut Gesetzentwurf in einem vereinfachten Verfahren gewährt.

Unbeachtlich kann dabei laut Begründung des Entwurfs zum Beispiel der pauschale Einwand der Mutter sein, sie wolle die Sorge für das Kind alleine ausüben oder wüsche keinen Kontakt mehr zum Vater. Kommt es in dem vereinfachten Verfahren nicht zur Einigung, können Mütter wie Väter vor das Familiengericht ziehen.

Die gemeinsame Sorge sei nur dann zu versagen, wenn sie dem Kindeswohl widerspricht, heißt es in der Gesetzesbegründung. Auch nicht miteinander verheiratete Eltern sollten im Interesse ihres Kindes an einer einvernehmlichen, gemeinsamen Sorge interessiert sein. Kommt eine solche gemeinsame Sorge wegen schwerwiegender Gründe nicht in Betracht, kann das Gericht unter Umständen auch dem Vater das alleinige Sorgerecht zusprechen - wenn dies „dem Wohl des Kindes am besten entspricht“.

Der DAV-Familienrechtsexperte Wolfgang Schwackenberg sprach von einer halbherzigen Reform. Für das Kindeswohl seien beide Elternteile verantwortlich - egal ob verheiratet oder nicht. Auch das Grundgesetz unterscheide bei der Zuweisung dieser Verantwortung an beide Elternteile nicht nach dem jeweils aktuellen Familienstand, sagte der Rechtsanwalt. SPD-Fraktionsvize Christine Lambrecht sagte, die Novelle der schwarz-gelben Koalition diene nicht dem Kindeswohl.