Seehofer droht mit Koalitionsbruch bei Euro-Thema
Berlin (dpa) - CSU-Chef Horst Seehofer droht offen mit einem Koalitionsbruch, wenn die Bundesregierung die Sparauflagen für verschuldete Euro-Staaten zu stark lockert.
„Irgendwann ist ein Punkt erreicht, wo die bayerische Staatsregierung und auch die CSU nicht mehr Ja sagen können. Ich könnte das dann auch ganz persönlich nicht mittragen“, sagte Bayerns Ministerpräsident dem „Stern“. „Und die Koalition hat ohne die Stimmen der CSU keine Mehrheit.“
Umstritten sind besonders die Zusagen, die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Druck Italiens und Spaniens beim EU-Gipfel in Brüssel gemacht hat. So könnte der gerade erst von Bundestag und Bundesrat beschlossene Euro-Rettungsschirm ESM aufgeweicht werden. Wenn es eine europäische Bankenaufsicht gibt, könnten auch kriselnde Banken darüber mit Milliardenhilfen versorgt werden. Zudem könnte es für Länder wie Italien geringere Auflagen bei Milliardenhilfen geben.
Merkel gab sich gelassen. „Ich habe mit Horst Seehofer sehr ausführlich über die Beschlüsse in Brüssel gesprochen“, sagte sie am Dienstag in Berlin. Man sei sich einig, dass Solidarität genauso wichtig sei wie die Erfüllung der Sparvorgaben. „Deshalb glaube ich auch, dass es innerhalb der Koalition eine gute Zusammenarbeit nicht nur im europapolitischen Bereich geben wird.“
Die FDP warnte Seehofer vor einem Spiel mit dem Feuer. „Ich bin sehr irritiert. Es gibt überhaupt keinen Anlass darüber zu spekulieren, ob diese Koalition zerbricht“, sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.
Dennoch dürften die Brüsseler Beschlüsse noch für viel Unruhe in der Koalition sorgen, zudem gibt es bereits eine Klagewelle gegen den ESM beim Bundesverfassungsgericht. Daher liegt er ohnehin auf Eis, eine längere Verschiebung könnte massive Marktturbulenzen auslösen. Umstritten ist neben möglichen Bankenhilfen und einer Lockerung von Auflagen, dass der ESM auch Staatsanleihen von Ländern kaufen könnte, die unter hohen Zinsen leiden. Finnland und die Niederlande machen dagegen mobil, die deutsche Bundesregierung hält sich bisher bedeckt.
Merkel will am Mittwoch in Rom mit Italiens Premierminister Mario Monti über die Ergebnisse des EU-Gipfels beraten. Die Änderungen sind abhängig von der Zustimmung der Mitgliedsländer und auch des Bundestags. Viele Details sind noch offen.
Die EU-Kommission mahnte mehr Tempo bei der Umsetzung an. „Es ist nun von entscheidender Bedeutung, dass alle Regierungen zu den getroffenen Absprachen stehen“, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso im europäischen Parlament in Straßburg.
Seehofer sagte, das Gipfelergebnis lasse Raum für Spekulationen und Interpretationen. „Für uns gilt das Wort der Kanzlerin: Es wird auch künftig keine Hilfen ohne strikte Auflagen und Reformvorgaben geben.“ Entscheidend sei, jetzt die Schuldenmentalität einiger Länder zu durchbrechen.
Der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) warf Monti vor, Merkel beim EU-Gipfel über den Tisch gezogen zu haben. „Das ist eindeutig“, sagte er im Fernsehsender Phoenix. Monti hatte ohne Zugeständnisse an Krisenländer und beim ESM mit einer Ablehnung des 120 Milliarden Euro umfassenden Wachstumspakts gedroht.