Von der schwierigen Häutung der Grünen
Die Partei will sich erneuern, aber in den Ländern wächst der Widerstand gegen die Führung. Es stehen turbulente Wochen bevor.
Hamburg. Es ist ein banaler Satz: „Was ich esse und was nicht, entscheide ich selbst nach meinem Geschmack.“ Diese schlichte Selbstverständlichkeit steht in einem Antrag der Grünen-Spitze für den Bundesparteitag Ende November in Hamburg. Das triviale Bekenntnis zur freien Essens-Auswahl bekommt hier schnell eine ganz andere Bedeutung — Stichwort „Veggie Day“.
Denn die Ökopartei, die die Wähler im krachend verlorenen Bundestagswahlkampf 2013 auch mit einem fleischfreien Donnerstag in Kantinen irritierte, will endlich wegkommen vom Image der bevormundenden Verbotspartei. Und sich auch von anderen Botschaften wie teils verschreckenden Steuerreformen lösen, die mitverantwortlich waren für die Wahlschlappe.
Es geht beim Parteitag von heute bis Donnerstag um die programmatische Erneuerung. Eine grüne und nachhaltige Wirtschafts- und Finanzpolitik soll formuliert werden, als Kernthema neben Klimaschutz und Bürgergesellschaft, um dann 2017 im Bund endlich wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen. Es geht um Eigenständigkeit ohne Vorab-Koalitionsaussagen, auch wenn die Variante Schwarz-Grün derzeit viel wahrscheinlicher erscheint als ein neues rot-grünes Bündnis.
Der Häutungsprozess der Partei gestaltet sich schwierig. Ein hoch sensibles Thema ist mittlerweile das Verhältnis zwischen Bundesspitze und erstarkenden Landesfürsten. Ein aus Hessen initiierter Länderantrag „Die Leitlinien der Grünen für eine Regierungsbeteiligung 2017: Ökologisch, gerecht, frei und eigenständig“ sorgte in der Berliner Parteizentrale für Furore und brachte Co-Parteichefin Simone Peter dem Vernehmen nach auf 180.
Was weniger am Inhalt des Papiers vom Realo-Flügel liegt, in dem man vergeblich Revolutionäres sucht. Es geht um die Frage, wie es die Grünen schaffen, dauerhaft wieder klar zweistellig in Bund und Ländern aufzutrumpfen. Der Fraktionschef der Grünen im hessischen Landtag, Mathias Wagner, bemängelt, dass es einigen in der Partei schwerfalle, „aus dem Kampfmodus gegen die Gesellschaft herauszukommen“.
In Berlin wurde der eher unspektakuläre Antrag dennoch als Affront gewertet. Von Profilierungssucht ist die Rede, aber auch von einer überzogenen Reaktion der Parteichefin. Simone Peter scheint dünnhäutiger geworden zu sein — auch nach dem geplatzten Versuch, über die sieben Landesregierungen mit grüner Beteiligung in der Asylpolitik Macht zu demonstrieren. Das verhinderte ausgerechnet der einzige grüne Ministerpräsident, Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg.