Wahl in Thüringen Ramelow Ministerpräsident in Thüringen - Kein Handschlag für Höcke

Erfurt · Ende Oktober 2019 war die Wahl in Thüringen. Gut vier Monate und eine ausgewachsene Regierungskrise später hat es Bodo Ramelow geschafft. Der Linke-Politiker ist neuer Ministerpräsident im Freistaat - und er sorgt gleich mit einer Geste für Aufsehen.

Der neu gewählte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) leistest seinen Amtseid im Landtag.

Foto: dpa/Martin Schutt

Nach einer wochenlangen Regierungskrise in Thüringen ist der Linke-Politiker Bodo Ramelow zum neuen Ministerpräsidenten des Freistaats gewählt worden. Der 64-jährige Ex-Regierungschef erreichte am Mittwoch im Landtag im dritten Wahlgang die erforderliche einfache Mehrheit. Nach seiner Vereidigung ernannte Ramelow die Minister seiner Minderheitsregierung aus Linkspartei, SPD und Grünen.

Damit zeichnet sich vier Wochen nach der viel kritisierten Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Regierungschef ein Ende der Krise in dem Land ab. Kemmerich war am 5. Februar auch mit AfD-Stimmen gewählt worden und dann Tage später nach einer bundesweiten Protestwelle zurückgetreten.

Ramelow scheiterte am Mittwoch zunächst in zwei Wahlgängen an der nötigen absoluten Mehrheit - wie auch sein Gegenkandidat, der AfD-Landespartei- und Fraktionschef Björn Höcke. Dieser war zum dritten Wahlgang nicht mehr angetreten, in dem eine einfache Mehrheit reichte.

Nach seiner Vereidigung verweigerte Ramelow seinem Kontrahenten Höcke demonstrativ einen Handschlag. Beide unterhielten sich im Plenarsaal dann kurze Zeit mit ernster Miene. Kurz danach sagte Ramelow im Plenum, Höcke habe sich nach der umstrittenen Wahl Kemmerichs damit gebrüstet, dem FDP-Politiker eine „Falle“ gestellt zu haben. Erst wenn Höcke die Demokratie verteidige und nicht Demokraten Fallen stelle, werde er ihm die Hand schütteln, sagte Ramelow.

Höcke kritisierte den verweigerten Handschlag und sagte: „Diese Manierlosigkeit des neuen Ministerpräsidenten ist eine Schande für Thüringen.“ Ihm sei es ein Bedürfnis gewesen, Ramelow die Hand zu schütteln. Nicht, weil er sich freue, dass Ramelow als „Kandidat der SED“ in das Amt des Ministerpräsidenten zurückkehre, sondern weil er ihm damit zeigen wolle, dass er diese formal korrekte, demokratische Wahl akzeptiere. Höcke warf Ramelow vor, mit „gespaltener Zunge“ zu sprechen.

Ramelow will Thüringen mit einer rot-rot-grünen Übergangsregierung führen - wobei die CDU ihm bei bestimmten Projekten zu Mehrheiten verhelfen will. Eine Neuwahl des Parlaments soll es am 25. April 2021 geben. Ramelows Minderheitsregierung fehlen vier Stimmen für die absolute Mehrheit.

Ramelow lud nach seiner Wiederwahl die Christdemokraten zur Zusammenarbeit ein. Er danke der CDU-Fraktion, dass sie trotz der Auseinandersetzungen mit der Bundespartei nun mit für stabile Verhältnisse im Freistaat gesorgt habe, sagte Ramelow in seiner Antrittsrede.

Für Ramelow stimmten im dritten und entscheidenden Wahlgang 42 Abgeordnete - genau so viele, wie sein rot-rot-grünes Bündnis über Abgeordnete verfügt. Mit „Nein“ stimmten 23 Abgeordnete. In den beiden ersten Wahlgängen hatten weder Ramelow noch Höcke die in diesen Durchgängen absolute Mehrheit erzielt.

In den beiden ersten Runden hatte es jeweils das gleiche Ergebnis gegeben: Für Ramelow stimmten 42 Abgeordnete - dies entsprach der Stärke seines Lagers aus drei Fraktionen. Höcke bekam 22 Stimmen - exakt so viele, wie die AfD Abgeordnete hat. 21 Abgeordnete enthielten sich der Stimme, das entspricht der Stärke der CDU-Fraktion. Diese hatte ihre Enthaltung auch zuvor angekündigt.

Abgegeben wurden in allen drei Durchgängen 85 gültige Stimmen. Der Landtag hat aber eigentlich 90 Abgeordnete. Allerdings stimmten vier anwesenden FDP-Abgeordneten nicht mit ab, zudem fehlte mit Ute Bergner eine Abgeordnete der Freidemokraten.

Die AfD kritisierte das Abstimmungsverhalten von CDU und FDP scharf. Dass die FDP-Abgeordneten bei der Wahl sitzen geblieben seien, zeige, „dass sich die FDP auf die außerparlamentarische Opposition vorbereitet“, sagte die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, in Berlin. Parteichef Jörg Meuthen erklärte: „Durch ihre Enthaltungen und Nichtteilnahme haben die Thüringer Landtagsabgeordneten von CDU und FDP den Linksparteipolitiker Bodo Ramelow ins Ministerpräsidentenamt gehoben“.

Die FDP-Fraktion entgegnete: „Auch die Nichtteilnahme an einer Wahlhandlung ist eine aktive Wahrnehmung des freien Abgeordnetenmandats. Damit wurde auch dokumentiert dass Stimmen der FDP nicht einem der beiden Kandidaten zugeflossen sind.“

Die Wahl Kemmerichs zum Ministerpräsidenten mit Stimmen von AfD, CDU und FDP hatte das Bundesland in eine Regierungskrise gestürzt. Bundesweit hatte die Wahl des FDP-Politikers mit Hilfe der AfD für Empörung gesorgt. Kemmerich trat drei Tage nach seiner Wahl zurück. Er war seitdem geschäftsführend im Amt - ohne weitere Kabinettsmitglieder. Die Landtagswahl in Thüringen liegt inzwischen mehr als vier Monate zurück.

Neben der CDU-Unterstützung bei bestimmten Projekten waren die Christdemokraten mit dem Ramelow-Lager übereingekommen, dass man die AfD beim Ringen um Mehrheiten komplett außen vor lassen will. Das alles soll nur bis zur Neuwahl des Parlaments gelten.

Vor der Wahl des Ministerpräsidenten hatte die Thüringer CDU-Fraktion mehrfach betont, dass sie Ramelow nicht aktiv mitwählen könne - Grund ist ein Parteitagsbeschluss der Bundes-CDU, der jede Zusammenarbeit der Christdemokraten mit der Linken und der AfD von Partei- und Fraktionschef Björn Höcke untersagt. Nur wenige Stunden vor der Wahl war bekanntgeworden, dass Ramelow nach eigenen Angaben die CDU um konsequente Stimmenthaltung gebeten hatte.

(dpa)