Justizminister Heiko Maas Warmschießen auf den roten Nachwuchsstar
Justizminister Heiko Maas (SPD) steht im Feuer der Union und einiger Medien - auch weil er selbst gern austeilt.
Berlin. Klar, das Wortspiel musste sein: "Das Maas ist voll". Die "Bild"-Zeitung veröffentlichte dazu eine ganze "Pannenliste des Ministers". Die "Welt" sah ebenso phantasiereich "Das Maß verloren". Aber Heiko Maas wird nicht, wie Wolfgang Schäuble (CDU) vor zwei Wochen forderte, zurücktreten, sondern am Montag fröhlich seinen 50. Geburtstag feiern. Und zwar in Wolfsburg beim Parteikonvent der SPD, die ihn umso mehr unterstützt, je massiver die Angriffe sind. Es geht bei den Vorwürfen nicht um Bereicherung oder Beleidigung, sondern um komplizierte interne Amtsvorgänge, bei denen zudem Aussage gegen Aussage steht. Es sind Affären zweiter Klasse. Zum einen wird Maas vorgeworfen, dass er einer Verschärfung des Sexualstrafrechts das Wort redete ("Nein heißt Nein"), just als der Prozess um die angebliche Vergewaltigung des Models Gina-Lisa Lohfink lief.
Wer wollte, konnte das wie eine Einmischung zu Gunsten Lohfinks interpretieren, die später wegen falscher Verdächtigung verurteilt wurde. Maas bestreitet einen solchen Zusammenhang, den Schäuble allerdings sah: "Ein anständiger Minister müsste da zurücktreten", sagte der Finanzminister angeblich im CDU-Präsidium. Das kolportierte Zitat wurde von Schäuble nie bestätigt. Aber auch nicht dementiert. Für Maas war es eine Attacke wie aus dem Nichts.
Der zweite Sachverhalt ist komplizierter. Maas soll den damaligen Generalbundesanwalt Harald Range 2015 angewiesen habe, in einem Verfahren gegen Internet-Blogger, die ein geheimes Papier des Verfassungsschutzes veröffentlicht hatten, ein Gutachten über die Strafbarkeit zu stoppen - und so letztlich die gesamten Ermittlungen. Die Pressefreiheit war berührt. Maas, der überhaupt nicht direkt mit Range sprach, bestreitet das. Seine Staatssekretärin, die die Gespräche führte, spricht von gemeinsamen Beratungen. Range, der bei seiner Aussage blieb, wurde von Maas im Verlauf des Streits in den Ruhestand versetzt.
Einen Teil der Staatsanwälte hat der Minister seitdem gegen sich. In der zweiten Windung der Affäre geht es nun darum, dass seine Pressestelle das Protokoll einer Sitzung des Rechtsausschusses des Bundestages zu diesem Thema unbefugt an zwei Journalisten weitergab. "Aus Versehen" sagen die Mitarbeiter des Ministers und erklären ihr Bedauern. Aber hat Maas von der Weitergabe gewusst, sie gar genehmigt? Sein Sprecher sagt klar "Nein".
Das ist viel zu verzwickt für einen Rücktritt, aber mindestens eine Wirkung bleibt: Der Minister, der 2013 fast als Nobody aus dem Saarland nach Berlin kam und dort schnell zum Shooting-Star wurde, wird etwas zurechtgestutzt. Unter Maas ist das Justizministerium außerordentlich produktiv gewesen, mit 76 Gesetzen sogar das produktivste überhaupt. Die Grünen werfen ihm nun auch das vor und sprechen von "Hyperaktivität". Nicht alles war wichtig, nicht alles ausgegoren, wie etwa der schnell zurückgezogene Vorstoß gegen "sexualisierte Werbung". Aber es sind auch Werke wie die Reform der Strafprozessordnung oder die Mietpreisbremse darunter. Maas versteht Rechtspolitik als Gesellschaftspolitik. Und er sieht sich selbst als Generalisten.
Er könnte auch jedes andere Ministerium übernehmen. Sein Name tauchte regelmäßig auf, wenn über künftige SPD-Kanzlerkandidaten spekuliert wurde. Und zwar schon bevor bekannt wurde, dass er mit der bekannten Schauspielerin Natalia Wörner liiert ist.
Maas hat in Sachen Terrorabwehr eng mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zusammengearbeitet, etwa bei der Vorratsdatenspeicherung oder dem Ausweisungsrecht. Sehr bewusst, er wollte der Union dieses Thema nicht allein überlassen. Auch das ist manchem in der Union ein Ärgernis. Und schließlich hat sich der Minister mehr als andere mit den Rechtsradikalen angelegt, die er offen als "Schande für Deutschland" bezeichnet.
Für diese Szene ist er nach Angela Merkel das größte Hass-Objekt geworden; am 1. Mai wurde er bei der DGB-Kundgebung in Zwickau übel ausgepfiffen. Auch auf diesem Feld haben seine Kritiker schon nach "Pannen" geforscht. Per Twitter ("Danke, Anklam"), lobte Maas jüngst ein Antifa-Konzert im vorpommerschen Anklam.
Problem: Dort spielte auch eine als links-extremistisch eingestufte Band, die der Verfassungsschutz beobachtet. Dass Campino von den "Toten Hosen" dabei war und viele andere, spielte in der Berichterstattung keine Rolle mehr. Sicherheitshalber nahm die Pressestelle auch diesen Tweet auf ihre Kappe.