FDP Was Christian Lindners Bäckerladen über Befindlichkeiten lehrt

Der FDP-Chef hat auf dem Parteitag eine Rassismusdebatte initiiert — wohl unfreiwillig. Politische Gegner haben ihren Spaß, Freunde verteidigen ihn.

Christian Lindner beim Bundesparteitag der FDP.

Foto: Wolfgang Kumm

Berlin. Die vielleicht wichtigste Meldung am Montag aus Sicht der Liberalen: Der Abbruch der Jamaika-Verhandlungen mit Union und Grünen schadet der FDP nach Umfrage des RTL-/n-tv-Trendbarometers noch immer: Die FDP kommt nur auf acht Prozent — bei der Bundestagswahl war sie mit 10,7 Prozent noch viertstärkste Partei. Die Daten wurden vor dem FDP-Parteitag des vergangenen Wochenendes erhoben.

Wie sich Christian Lindners Anekdote aus dem Bäckerladen über Fremdenangst im Alltag diesbezüglich auswirken wird, ist noch nicht klar. Fakt ist: Der FDP-Chef hat mit seinem verbalen Ausflug ins Handwerk eine handfeste Rassismusdebatte ausgelöst.

Die Anekdote, die Lindner nach eigener Aussage ein „Bekannter mit Migrationshintergrund“ erzählt hat, ging auf dem FDP-Parteitag so: Da bestellt jemand beim Bäcker „mit gebrochenem Deutsch ein Brötchen“ — und die Leute in der Schlange wüssten nicht, „ob das der hoch qualifizierte Entwickler Künstlicher Intelligenz aus Indien ist oder eigentlich ein sich bei uns illegal aufhaltender, höchstens geduldeter Ausländer“, sagte Lindner und befand: Diese Unsicherheit könne Angst auslösen. Was der FDP-Mann auf der zweiten Ebene mit diesem mäßig anschaulichen Bild hat sagen wollen, ist unklar.

FDP-Mitglied Chris Pyak aber hatte es schnell interpretiert: Er trat nach der Rede aus der Partei aus und begründete das bei Twitter so: „,Bürger müssen sicher sein, das der Ausländer beim Bäcker kein Illegaler ist.’ Christian Lindner hat in seiner Rede allen Nazis einen Vorwand geliefert dunkelhäutige Menschen zu drangsalieren.“

Der Grat ist schmal, und wer auf ihm wandelt, nimmt wohl in Kauf, dass links und rechts des Weges mancher Zuschauer nach Hause geht. Zumal Lindner Herkunft als Merkmal deutet. Hat er sich da bloß im Regal vergriffen? Was Lindner zum Ausdruck bringen wollte, sagte er selbst in einem schnell versendeten Video vom Rande des Parteitags: Die Gesellschaft müsse befriedet werden. Und die Lösung könne nicht Leitkultur sein, sondern Rechtsstaat. Was wohl so viel heißt: Es braucht schnelle Entscheidung nach klaren Regeln für Integration und Abschiebung.

In sozialen Netzwerken wurde die Lindner-Passage kaum anders als rassistisch gewertet. Es war ein Shitstorm. Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen bezeichnete die Diskussion als überzogen. Aber: „Schön, wenn nun einer wie Lindner, der uns von der AfD permanent und komplett zu Unrecht einer Fremdenfeindlichkeit und eines Rassismus zeiht, die uns vollkommen fremd sind, einmal selbst mit diesem unberechtigten Vorwurf konfrontiert wird“, sagte er. In Schutz nahmen Lindner auch politische Gegner. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) wolle „nicht Herrn Lindner die Rassismus-Keule überziehen“.

Grünen-Chef Robert Habeck bezeichnete Lindners Ausführungen als „dusselig“. Dessen Argumentation sei „schief“ und „falsch“, aber: „Christian Lindner ist kein Rassist. Da nehme ich ihn gegen jeden Verdacht in Schutz.“ FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sagte auf „NDR Info“, es gehe gerade darum, gut integrierte Einwanderer zu schützen. „Momentan erleben Migranten, die schon lange unter uns leben, die perfekt integriert sind, dass ihnen Misstrauen entgegengebracht wird, weil die Bevölkerung nicht mehr sicher sein kann, dass alle, die ins Land kommen einen legalen Aufenthaltstitel haben.“ (Mit Material von dpa und afp)