Wohl mehr als 3600 tote Flüchtlinge im ersten Halbjahr

Berlin (dpa) - Auf der Flucht in eine neue Heimat sind in diesem Jahr weltweit vermutlich schon mehr als 3600 Menschen ums Leben gekommen. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) ermittelte für die ersten sechs Monate des Jahres eine Zahl von mindestens 3694 Toten oder Vermissten.

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Im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2015 bedeute dies einen Anstieg um 18 Prozent, sagte IOM-Generaldirektor William Swing der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Die weltweit gefährlichste Fluchtroute bleibt das Mittelmeer in Richtung Europa: Allein dort wurden bis Ende Juni mindestens 2905 Flüchtlinge getötet oder für vermisst erklärt. Die große Mehrheit - mehr als 2500 - ertrank auf dem Weg von Afrika nach Italien.

Swing äußerte die Vermutung, dass die Opferzahl in den Sommermonaten nochmals deutlich steigen wird. Seit Anfang Juli gab es im Mittelmeer nach den neuesten IOM-Zahlen von Donnerstag vermutlich 28 Tote.

„Eine sehr große Mehrheit der Flüchtlingen stirbt auf dem Weg nach Europa“, sagte der IOM-Chef. Zugleich warnte er davor, wegen der Konflikte in Syrien und Afghanistan die Krisen in anderen Teilen der Welt aus den Augen zu verlieren. „Wir haben nicht eine einzelne Flüchtlingskrise. Wir haben auf der Welt eine ganze Serie von Krisen - insgesamt neun oder zehn.“ Der ehemalige US-Diplomat verwies unter anderem auf die Konflikte im Irak, im Jemen oder im Südsudan.

Mit 165 Mitgliedsländern ist die IOM die weltweit größte zwischenstaatliche Hilfsorganisation. Seit 2015 betreibt sie in Berlin eine Datenbank, in der verschiedene Statistiken zu den weltweiten Flüchtlingsbewegungen ausgewertet werden. Demnach kamen seit Beginn des Jahres über das Mittelmeer mehr als 238 000 Flüchtlinge nach Europa. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2015 waren es nach IOM-Zahlen etwas mehr als eine Million.

Swing äußerte die Erwartung, dass die Schließung der sogenannten Balkan-Route und die Vereinbarungen zwischen EU und Türkei keine große Wende bringen wird. In ihrer Verzweiflung würden sich die Flüchtlinge andere Wege suchen. „Das ist wie beim Wasser. Man baut einen Damm, und das Wasser fließt darum herum“, sagte er. „Flüchtlinge sind einfallsreich, weil sie hoffnungslos sind. Wenn Sie an der einen Stelle eine Blockade errichten, suchen sie sich einen anderen Weg.“

Die Opposition warf der Bundesregierung vor, am Tod von Flüchlingen mitverantwortlich zu sein. Grünen-Chefin Simone Peter erklärte: „Das Massensterben im Mittelmeer ist eine direkte Konsequenz der europäischen Abschottungspolitik.“ Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger sagte: „Eine solche Politik missachtet die Menschenrechte und verstößt gegen jegliche Solidarität und Menschlichkeit.“