Wolfgang Bosbach: „40 Prozent — vielleicht sogar mehr“
Wolfgang Bosbach sieht seine CDU auf gutem Weg — seine persönliche Prognose ist eher schlecht, er ist schwer krebskrank.
Bergisch Gladbach. Seine Leidenschaft gehört der Politik. Der Innenexperte Wolfgang Bosbach ist seit 40 Jahren in der CDU, sitzt seit 18 Jahren im Bundestag, war lange stellvertretender Fraktionschef und gehört zu den bekanntesten Gesichtern der Politik. Der 60-Jährige hat sich bewahrt, was manchem Kollegen fehlt: Tuchfühlung mit dem Bürger.
„Ich bin bei tausenden Bürgerveranstaltungen jedes Jahr, führe unzählige Gespräche. Mich erreichen pro Jahr über zehntausend Zuschriften, die alle beantwortet werden“, sagt Bosbach. Die CDU werde dank einer „unprätenziösen Fleißarbeit von Angela Merkel“ bei der Bundestagswahl gut abschneiden, glaubt er.
Seine persönliche Prognose ist hingegen schlecht. Bosbach hat Prostatakrebs, Knochenmetastasen in Wirbelsäule und Becken - und vermutlich nicht mehr viel Zeit. Nach reiflicher Überlegung tritt er trotzdem wieder als Kandidat zur Bundestagswahl an. „Es ginge mir doch auch nicht besser, wenn ich jetzt weniger arbeiten würde.“ Politik sei für ihn auch ein „Jungbrunnen“.
Ziel des Rheinländers: „Ich würde den Wahlkreis gern zum sechsten Mal direkt gewinnen.“ Die CDU im Rheinisch-Bergischen Kreis hat ihn mit einem Traumergebnis von 99 Prozent aufgestellt. Bosbach sieht sich auch nach der Diagnose gefordert. Die Herkulesaufgabe Eurorettung stehe an, die Energiewende müsse umgesetzt werden.
Die „kleinen Leute“ hat der frühere Supermarktleiter und Anwalt nicht aus dem Auge verloren. „Das sind die Helden des Alltags: Die, die morgens um 6 Uhr auf den Wecker hauen, um 7 Uhr zur Arbeit fahren, die acht, neun, zehn, zwölf Stunden arbeiten, abends müde nach Hause kommen und brav ihre Steuern zahlen.“
Bosbach hatte einst auch Minister-Ambitionen. „Ich hätte mich gefreut, wenn ich 2005 Innenminister geworden wäre. Ich bin es nicht geworden, und damit ist das Thema erledigt.“ Er habe etwas Distanz gewonnen — und zugleich seinen Optimismus nicht verloren. Trotz aller Tiefschläge, denn Bosbach leidet auch an Gicht und einer schweren Herzkrankheit.
Zu den obersten Prinzipien des Berlin-Rheinland-Pendlers zählt: Die Politik muss ihre Versprechen halten. Sie müsse mehr erklären: „Wir haben ein hohes Maß an Politiker-Verdrossenheit und an Parteien-Verdrossenheit.“ Das rührt auch daher, dass wir Entscheidungen zu oft verkünden und zu wenig begründen“, meint Bosbach.
Der sonst loyale Bosbach hatte 2011 gegen seine Fraktion gestimmt — und den Euro-Rettungsschirm abgelehnt. „Ich bin alles andere als ein Querulant“, betont er. „Ich kann nicht immer höhere Risiken für unser Land mittragen. Es darf nicht wieder und wieder neue Rettungspakete für Griechenland geben.“
Seiner CDU traut Bosbach „durchaus 40 Prozent, vielleicht sogar mehr“ zu. Er selbst will sich 2013 mehr auf seinen Wahlkreis konzentrieren. „Das ist ein schönes Gefühl, wenn man weiß, dass man Vertrauen genießt.“ Und er will weiter Gas geben. „Natürlich weiß ich, dass die Zeit, die bleibt, begrenzt ist. Aber ich will sie so gut wie möglich nutzen. Ich liebe das Leben.“