Wulff bei Wannsee-Gedenken - Scham über Neonazi-Morde
Berlin (dpa) - Bundespräsident Christian Wulff hat die Erinnerung an die Vernichtung der europäischen Juden während der NS-Zeit als nationale Aufgabe bezeichnet.
„Wir dürfen nicht vergessen, dass dieses Unglaubliche und Unvorstellbare wirklich geschehen ist“, sagte Wulff bei einer Gedenkfeier zum 70. Jahrestag der Wannsee-Konferenz am Freitag in Berlin.
Gleichzeitig äußerte Wulff „Scham und Zorn“ über die Mordserie des Zwickauer Neonazi-Trios. Alle - einschließlich der Polizei und der Sicherheitsbehörden - hätten es nicht für möglich halten wollen, dass es so etwas in Deutschland heute noch gebe.
Auch er habe frühe Warnungen vor rechtsextremistischer Gewalt zunächst für übertrieben gehalten, sagte Wulff in der vor 20 Jahren eröffneten Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin. „Wir werden alles tun, damit Terror und mörderischer Hass auf Fremde und Fremdes in Deutschland nie mehr Platz haben.“
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, erklärte, die Wannsee-Konferenz markiert den Zeitpunkt, von dem an der Massenmord an den Juden eine minuziöse Bedienungsanleitung erhielt. Auf der Konferenz „geschah die fatale Verbrüderung der Bürokratie mit dem Bösen“, schrieb Graumann in einem Beitrag für die „Bild“-Zeitung.
Am 20. Januar 1942 waren in der Villa am Wannsee 15 hochrangige NS-Funktionäre zusammengekommen, um die Behörden und Ministerien auf die systematische Vernichtung der europäischen Juden einzuschwören. Der „Judenreferent“ Adolf Eichmann hielt die wichtigsten Entscheidungen in einem Protokoll fest.
„Dieser Ort und der Name Wannsee ist zum Symbol geworden für die bürokratisch organisierte Unterscheidung von lebenswertem und lebensunwertem Leben, für die staatlich organisierte Vernichtung“, sagte Wulff. Die NS-Beamten hätten „in Eiseskälte ohne Skrupel, ohne Hauch von Menschlichkeit das mörderische Vorgehen der sogenannten "Endlösung"“ formuliert.
Spätestens mit den Sammlungen und Transporten 1942 wurde für jeden, der mit offenen Augen durch die Welt ging, offensichtlich, welches Schicksal auf die deutschen und europäischen Juden wartete. „Viele in der Gesellschaft waren entsetzt, aber noch viel mehr bleiben gleichgültig, viele waren grausame Täter.“
Der Antisemitismus des NS-Staates sei genährt und gestützt worden vom Antisemitismus in der Gesellschaft. Auch in Zukunft müssten Gedenkstätten „an das Entsetzliche erinnern, das von unserem Land ausgegangen ist.“
Der Bundespräsident sicherte den Juden in aller Welt bei Gefahr und Verfolgung die Verbundenheit Deutschlands zu. Zugleich betonte er: „Deutschland steht unverbrüchlich an der Seite Israels.“
An der Gedenkfeier nahm auch der israelische Minister Yossi Peled teil. Peled hatte als Kind die deutsche Besatzung in Belgien unter falscher Identität überlebt. Von seiner Familie überlebte nur seine Mutter den Holocaust im Konzentrationslager Auschwitz. Bei der Gedenkfeier trug Peled für seinen ermordeten Vater das jüdische Totengebet „Kaddisch“ vor. Peled war nach dem Krieg in Israel zum hochrangigen General aufgestiegen.