Wulff gibt Justiz Schuld an Rücktritt
Berlin (dpa). Ex-Bundespräsident Christian Wulff rechnet in seinem autobiografischen Buch „Ganz oben Ganz unten“ mit Vertretern von Justiz, Medien und Politik ab.
Der Staatsanwaltschaft Hannover gab er bei der Vorstellung seines Buches am Dienstag in Berlin die Schuld an seinem Rücktritt 2012 und sprach von einer Gefährdung der Demokratie.
Justiz und Medien hätten sich die Bälle zugespielt und gegen das Prinzip der Gewaltenteilung verstoßen, beklagte Wulff. Darin liege eine „ernste Gefahr für die Demokratie“. Er sprach von den schlimmsten zwei Jahren seines Lebens und rief zu einer neuen Umgangskultur mit Personen des öffentlichen Lebens auf.
Die Staatsanwaltschaft Hannover habe mit leeren Händen dagestanden und sich hochproblematisch verhalten, sagte der 54-Jährige. Die an diesem Donnerstag auslaufende Frist für eine Revision nach dem Freispruch schöpfe sie bis zum allerletzten Tag aus. Wulff betonte, er habe sich stets rechtlich korrekt verhalten. Sein Freispruch sei auch ohne Wenn und Aber erfolgt.
Auf die Frage, ob sein Rücktritt politisch richtig gewesen sei, auch wenn es keine juristische Grundlage dafür gegeben habe, antwortete Wulff zunächst: „Der Rücktritt war falsch. Und ich wäre auch heute der Richtige in dem Amt.“ Auf Nachfrage erklärte er: „Hätte die Staatsanwalt korrekt gehandelt in Hannover und die Aufhebung der Immunität nicht beantragt, wäre ich noch im Amt. Der Rücktritt war richtig.“ Denn von einem Bundespräsident gehe besondere moralische Autorität aus. Er könne ein solches Verfahren nicht einfach abwarten. Das sei der Staatsanwaltschaft in Hannover völlig bewusst gewesen.
Eher zurückhaltend äußerte sich Wulff zu der in weiten Teilen fehlenden politischen Unterstützung aus seiner eigenen Partei während der Affäre. Auf Nachfrage sagte er aber, Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel „hat immer zu mir gestanden“, sie habe auch „niemals in irgendeiner Form Druck auf mich ausgeübt“. Heute habe er „guten Kontakt zu ihr“. Zugleich machte Wulff deutlich, dass er in Zukunft kein neues Amt in der aktiven Politik anstrebe. Er wolle vielmehr ähnlich wie seine Amtsvorgänger auf internationaler und nationaler Ebene als Schlichter arbeiten sowie ehrenamtlich unter anderem in Stiftungen tätig sein.
Wulff, der sich in seiner Amtszeit mit der Äußerung, der Islam gehöre mittlerweile auch zu Deutschland, viel Respekt unter Türken verschafft hatte, ergänzte: „Die Türkei liegt mir weiter am Herzen.“
Wulff war am 17. Februar 2012 nach 598 Tagen infolge der Affäre um die angebliche Annahme von Vorteilen als bislang jüngster Bundespräsident zurückgetreten. Das Landgericht Hannover hatte ihn Ende Februar vom Vorwurf der Vorteilsnahme in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident freigesprochen. Verzichtet die Anklagebehörde auf Revision, wäre er juristisch rehabilitiert, andernfalls müsste der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Urteil auf Rechtsfehler überprüfen.
Schon vor Gericht hatte Wulff signalisiert, dass er sich als Opfer einer übereifrigen Staatsanwaltschaft sieht. Kaum ein anderer Politiker in Deutschland ist so tief gefallen wie er - neben Amt, Ruf und Ehre - ging auch seine Ehe mit der ehemaligen First Lady Bettina in die Brüche. Sein im Verlag C.H.Beck erschienenes Buch wolle er nicht als Abrechnung verstanden wissen, betonte Wulff. „Ich schildere, wie sich die Affäre aus meiner Sicht darstellt.“