Wulff: Ohne Gewerkschaften wäre Gesellschaft ärmer

Leipzig (dpa) - Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi tagt eine Woche lang in Leipzig. Bundespräsident Wulff hatte gleich zum Auftakt des Bundeskongresses lobende Worte für die Gewerkschaften in Deutschland.

Wulff würdigte den Beitrag der Gewerkschaften beim Aufbau und Entwicklung der Bundesrepublik. Ohne Gewerkschaften wäre diese Gesellschaft ärmer und es fehlte ihr an Gemeinsinn, sagte der Bundespräsident zum Auftakt des Bundeskongresses der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am Samstagabend in Leipzig. Die vor zehn Jahren als Zusammenschluss von fünf Einzelgewerkschaften gegründete Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit 2,1 Millionen Mitgliedern veranstaltet bis einschließlich kommenden Samstag ihren dritten Bundeskongress. Der 59-jährige Verdi-Chef Frank Bsirske wird erneut für den Vorsitz kandidieren.

Wulff sagte, die deutschen Gewerkschaften hätten unbestritten einen wesentlichen Anteil „an der Erfolgsgeschichte unseres Landes seit dem Zweiten Weltkrieg“. Das Betriebsverfassungsgesetz, die Mitbestimmung und die Personalvertretung im öffentlichen Dienst seien „zu einem festen Bestandteil“ der Sozialordnung der Bundesrepublik geworden. Wulff: „Die Gewerkschaften haben einen wesentlichen Anteil an der Stabilität unserer Demokratie, am wirtschaftlichen Erfolg und am Gelingen unserer Sozialen Marktwirtschaft.“

Gerade in der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise habe sich das am Gemeinwohl orientierten Miteinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Deutschland wieder eindrucksvoll bewährt, sagte Wulff. „Die Kraft zum Konsens“ zwischen den Tarifparteien sei ein Ausdruck dieser Erfolgsgeschichte - auch im internationalen Vergleich.

„Diesem Miteinander verdanken wir, dass unser Land trotz der schweren Finanz- und Schuldenkrise bislang so gut wie kaum eine andere große Industrienation dasteht“, sagte Wulff. „Wir verdanken es auch der maßvollen Lohnpolitik über viele Jahre hinweg und ganz flexiblen Instrumenten wie der Kurzarbeit und der Arbeitszeitkonten.“ Die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften hätten hier einen Teil der Verantwortung übernommen. Ohne Gewerkschaften wäre diese Gesellschaft ärmer, sagte der Bundespräsident.

Minijobs, Zeitarbeit und befristete Beschäftigung seien dann gut, wenn sie eine Möglichkeit zur langfristigen Beschäftigung eröffneten. Dies dürfe aber für die, die eine Vollzeitbeschäftigung suchten, nicht zur Sackgasse werden. „Auch aus diesem Aspekt muss staatliche Förderung stets überprüft werden. Missbrauch darf nicht toleriert werden.“

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, warnte die Regierungskoalition davor, die Schaffung eines Mindestlohns in der Leiharbeit und die Durchsetzung des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ weiter aussitzen zu wollen. Sommer: „Im Bundesgesetzblatt muss stehen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - auch in der Leiharbeit.“ Auch Bsirske verlangte „die längst überfällige Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns“.

Die 1000 Delegierten auf dem Verdi-Bundeskongress wollen sich bei ihren achttägigen Beratungen mit rund 1300 Anträgen zur Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik befassen. Verdi ist nach der IG Metall die zweitgrößte Einzelgewerkschaft innerhalb des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Ein Thema des Verdi-Bundeskongress sind die Arbeitsbedingungen der 1,3 Millionen Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen und Organisationen wie Diakonie oder Caritas. Verdi fordert für diese Beschäftigten ein Streikrecht und das Recht auf Tarifverträge - wie in anderen Wirtschaftsunternehmen.