Gastbeitrag Zeit der Brückenbauer: Wie Jamaika gelingen kann
Uwe Schummer (CDU), Mitglied des Bundestages, über die Sondierungsgespräche.
Düsseldorf. Jamaika, das Bündnis von Union mit Liberalen und Grünen, ist eine Chance, wenn es zu neuem Denken führt. Wer die Probleme der Zeit angehen will, der muss ideologische Schützengräben verlassen und Brücken bauen. Gräben zu verlassen bedeutet, eine neue Sichtweise zuzulassen. Dabei kann sich die Union an ihrer Gründungsidee orientieren. Nach der Nazibarbarei führte der Brückenschlag zwischen evangelischen und katholischen Christen zur politischen Ökumene, lange bevor sie in den Kirchen gelebt wurde. Mit der Sozialen Marktwirtschaft entwickelte sie den Brückenschlag zwischen liberaler Wirtschaftsidee und Sozialordnung als gedachte und gelebte Einheit. Dieser Aufbruch prägte die Bonner Republik, die so erfolgreich wurde, dass sie die Deutsche Einheit im Europäischen Haus bewirkte.
Ein demokratischer Aufbruch kann auch die Kernidee von Jamaika werden. Wer hautnah erlebte, wie das erstarrte System der DDR durch eine gewaltfreie Revolution beseitigt wurde, der ist sensibel und flexibel, wenn betonierte Strukturen ihre Akzeptanz verlieren. Für ein neues politisches Kapitel sind Brückenbauer wieder gefragt. Die Verhandler sollten Brücken zwischen der liberalen Idee und der ökologischen Bewegung bauen. Der Demokratische Aufbruch, dem Angela Merkel angehörte, hatte ein ausgeprägtes ökologisches Programm. Auch Thomas de Maizière veröffentlichte kurz nach der Deutschen Einheit, gemeinsam mit Lutz Wicke, dem Umweltökonomen, das Buch über die Öko-Soziale Marktwirtschaft. Hieran anzuknüpfen, wäre nicht Ausklang, sondern Vollendung der Kanzlerschaft von Angela Merkel.
Dabei ist das Versprechen des Staates, Bürger vor Verbrechen zu schützen, eines der zentralen Bürgerrechte, das wieder verstärkt eingefordert wird. Der Brückenschlag zwischen Freiheit und Sicherheit ist selbst in der urliberalen Idee des „Nachtwächterstaates“ enthalten, der sich zwar aus vielen Lebensbereichen der Menschen heraushält, aber doch dafür sorgt, dass abends die Straßen und Marktplätze sicher sind. Die Lebensgrundlage auch für künftige Generationen zu bewahren ist ein konservativer Ansatz, der wiederum eng mit der ökologischen Idee verbunden ist.
Wenig hilfreich sind die Parolen von Rechtsruck und die Reduzierung auf das Konservative. Eine rein konservative Parteiengründung gab es 1945 deshalb nicht, weil Konservative und Deutschnationale mit der „Harzburger Front“ und der Einbindung Hitlers in eine Reichsregierung den Anfang vom Ende der Weimarer Republik verursachten; mit publizistischer Unterstützung der Hugenberg-Presse. So war die Brückenidee der Union, das Konservative, Soziale und Liberale an das Christliche zu binden und so eine gemeinsame Werteordnung zu finden. Das Christliche ist jedoch weder links noch rechts; es sind Werte, die in unserem Grundgesetz verankert wurden. Diese Werte sind keine in sich erstarrte Ideologie, sondern geben den Kompass, um nach bestem Wissen und Gewissen das Miteinander im Gemeinwesen immer wieder zu organisieren. Von daher sind Konservative nicht heimatlos, sie sind konzeptlos. Ihnen fehlt der ideelle Überbau, wenn sie sich von diesen Werten entfernen, wie die Vermischung konservativer Haltung mit völkischen Sprüchen in der AfD zeigt.
Schöpfung bewahren bedeutet, Klimaschutz zu wollen. Bürgerrechte zu sichern geht nur über einen Staat, der die Opfer und nicht die Täter schützt, freie Wirtschaft muss immer auch an soziale Ordnung gebunden sein, wenn sie nicht zur Freiheit der Starken über die Schwachen degenerieren soll. Jamaika wird dann erfolgreich sein, wenn es zum Bündnis wird, das einen neuen demokratischen Aufbruch zum Ziel hat.