Zoll beschlagnahmt weniger Markenfälschungen
Berlin (dpa) - Die deutschen Zollfahnder haben 2010 deutlich weniger gefälschte Uhren, Schmuck und Textilien aus dem Verkehr gezogen als in den Vorjahren. Im vergangenen Jahr wurden Marken- oder Produktfälschungen im Gesamtwert von fast 96 Millionen Euro beschlagnahmt.
2009 waren es 364 Millionen Euro, wie aus der am Freitag in Berlin vorgelegten Jahresbilanz des Zolls hervorgeht. 2007 lag der Wert sogar bei 1,17 Milliarden Euro. Hauptquelle waren mit mehr als 80 Prozent erneut China beziehungsweise Hongkong.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wollte trotz des Rückgangs keine Entwarnung geben: „Das ist für den Standort Deutschland natürlich eine besonders ernste Bedrohung.“ Nach Schätzungen des Wirtschaftsverbandes DIHK seien durch Produktpiraterie in Deutschland bereits zehntausende Arbeitsplätze verloren gegangen. Die internationale Wirtschaftsorganisation OECD schätze den Wert gefälschter Produkte auf jährlich mehr als 250 Milliarden US-Dollar.
Forderungen nach mehr Zoll-Mitarbeitern angesichts zusätzlicher Aufgaben erteilte Schäuble aber eine klare Absage: „Wir müssen ohne Neueinstellungen auskommen.“ Zusätzliche Aufgaben müssten mit dem vorhandenen Personal und dann eben flexibler erfüllt werden.
Hintergrund ist auch, dass Hauptzollämter im Auftrag gesetzlicher Krankenkassen Zusatzbeiträge eintreiben müssen, die Versicherte nicht zahlen. Dabei geht es um hunderttausende Beitragszahler. Hinzu kommt der zunehmende Kampf gegen Dumpinglöhne und Schwarzarbeit. Insgesamt sind beim Zoll rund 33 700 Mitarbeiter beschäftigt.
Der Rückgang beim Wert beschlagnahmter Plagiate ist auch auf weniger geschmuggelte hochwertige Uhren und Schmuck zurückzuführen. 2010 gingen den Fahndern hier Fälschungen im Wert von rund 28,4 Millionen Euro ins Netz. Die Zahl der Beschlagnahmungen hat sich zwar mit insgesamt fast 24 000 mehr als verdoppelt. Dies sei aber Folge eines Sondereffekts durch die Fußball-Weltmeisterschaft. So wurden gefälschte Fan-Artikel vor allem aus Thailand gestoppt, die übers Internet bestellt waren.
Im Kampf gegen Produktpiraterie geht es nach den Worten Schäubles auch um den Schutz der Gesundheit von Menschen. So würden gefälschte Ersatzteile aus dem Verkehr gezogen und nach wie vor zahlreiche kopierte Medikamente und „Designerdrogen“. 2010 wurden Arzneien im Wert von knapp einer Million Euro beschlagnahmt, auch dies ein Rückgang. Zugenommen hätten aber illegale Einfuhren in die EU.
Sprunghaft gestiegen ist zwar die Zahl sichergestellter Waffen, Munition und Sprengstoff. Die Bedrohungslage hat sich aber nicht geändert. Der Zoll begründete die starke Zunahme auch mit einem Großfund am Frankfurter Flughafen: Für den gewerblichen Transport fehlten - wie in anderen Fällen auch - die nötigen Genehmigungen. Die Papiere seien oft aus Unwissenheit nicht beantragt worden.
Der Zoll stellte zudem 157 Millionen Stück unversteuerter Zigaretten sicher. Das waren 44 Prozent weniger als 2009. Die beschlagnahmten Rauschgiftmengen beliefen sich auf fast 27 Tonnen.
Mit einer Ausweitung von Lohnuntergrenzen auf weitere Branchen sind auch mehr Kontrollen fällig. 2010 wurden mehr als 177 000 Ermittlungsverfahren wegen Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung eingeleitet (2009: 157 000). Gerichte verhängten Freiheitsstrafen sowie Geldstrafen von insgesamt 44 Millionen Euro. Der von den Fahndern aufgedeckte Schaden lag bei 711 Millionen Euro.
Der Zoll ist nicht nur an Grenzen oder Flug- und Seehäfen tätig, er treibt auch Forderungen des Bundes und der Sozialkassen ein und ist Einnahmeverwalter des Bundes. Über den Zoll geht ein Großteil der Steuereinnahmen ein. 2010 waren es 112 Milliarden Euro. Das ist kein neuer Geldsegen, sondern im Etat 2010 längst verbucht.