Zschäpes Auftreten im NSU-Prozess empört Hinterbliebene
Berlin/München (dpa) - Viele Hinterbliebene empfinden das Auftreten von Beate Zschäpe im NSU-Prozess als Zumutung. Auch das Gericht steht weiter in der Kritik. Zschäpes Anwälte kündigen weitere Anträge an.
Die Rechtsanwälte von Beate Zschäpe haben das Auftreten ihrer Mandantin zu Beginn des Münchner NSU-Prozesses verteidigt. „Die Beurteilung ihres Verhaltens - von gelöst-freundlich bis genervt, von eiskalt bis arrogant — das sind alles Projektionen der Berichterstatter und der Prozessbeobachter, die reine Spekulationen sind“, sagte Verteidigerin Anja Sturm am Dienstag. Bei den Hinterbliebenen der Mordopfer stieß das Verhalten der Hauptangeklagten dagegen auf massive Kritik.
Auch das Münchner Oberlandesgericht sieht sich wegen der einwöchigen Unterbrechung des Verfahrens neuen Vorwürfen ausgesetzt. Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen, Barbara John, forderte das Gericht auf, möglichst schnell die Anklageschrift zu verlesen. Bisher würden die Nebenkläger den Prozess wegen der ständigen Verschiebungen als ein „Vergraulprogramm“ wahrnehmen, sagte John den „Lübecker Nachrichten“.
Zschäpes Anwältin wies den Vorwurf zurück, die Verteidigung wolle den Prozess mit ihrem Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter verschleppen. „Denn unsere Mandantin befindet sich in Haft und hat letztendlich auch ein großes Interesse daran, dass dieser Prozess voranschreitet“, sagte Sturm in einem N24-Interview. „Sie möchte auch endlich, dass bestimmte Sachen klargestellt werden.“ Die Anwältin kündigte an, dass sich auch die nächsten Prozesstage wegen weiterer Anträge zäh gestalten würden - und Zschäpe weiter schweigen will.
SPD-Chef Sigmar Gabriel rief dazu auf, der Strategie der Verteidiger mit Geduld zu begegnen. Neben den Anwälten Zschäpes hatten auch die Verteidiger des mitangeklagten früheren NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben Befangenheitsanträge gegen das Gericht gestellt. Sie werden - anders als die Rechtsanwälte Zschäpes - der rechten Szene zugerechnet.
„Wir müssen am Ende darauf stolz sein, dass ein solcher Prozess auch erträgt, wenn rechtsradikale Szene-Anwälte versuchen, den Prozess zu torpedieren“, sagte Gabriel am Dienstagabend in Ulm. „Unser Rechtsstaat ist stärker als die.“ Man müsse nun dem Gericht die Möglichkeit geben, den Prozess in Ruhe rechtsstaatlich zu führen. „Wir wollen keinen kurzen Prozess.“
Die Tochter eines Mordopfers, Gamze Kubasik, hatte zum Prozessauftakt auf eine menschliche Regung von Zschäpe gehofft, nachdem es so viel Öffentlichkeit um die Morde und die Angehörigen gab. „Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass dort jemand sitzt, der über ein Jahr in U-Haft ist“, sagt Kubasik der Nachrichtenagentur dpa. „Weil sie so gelassen war und provokativ gelacht hat.“
Der Berliner Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, der zwei Opferfamilien im NSU-Prozess vertritt, bezeichnete das Auftreten von Zschäpe als „selbstbewusst bis arrogant“. „Sie schien sich im Glanz der Kameras zu sonnen und genoss es offenbar, im Mittelpunkt zu stehen“, sagte er der „Berliner Zeitung“ (Dienstag). Er kritisierte die Befangenheitsanträge der Verteidigung gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl als offenkundig unbegründet.
Der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes, Winfried Hassemer, nannte die Kritik unangemessen. „Es ist völlig normal, dass zu Beginn eines großen Strafprozesses Befangenheitsanträge gestellt werden“, sagte er den „Lübecker Nachrichten“. Der ehemalige Bundesrichter und fraktionslose Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic sprach vom „Standardprogramm in großen Strafprozessen“.
Die Befangenheitsanträge hatten schon am ersten Prozesstag zu einer Unterbrechung der Verhandlung für eine Woche gesorgt. Sie soll nun am 14. Mai fortgesetzt werden. Neben Zschäpe müssen sich vier mutmaßliche Helfer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) in dem Prozess verantworten. Zschäpe soll mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos den NSU gebildet haben, der für zehn Morde zwischen 2000 und 2007 verantwortlich gemacht wird.