Kommentar Zum Start am Mittwoch: Der Feldversuch Schule
Brandenburg macht es anders als Berlin. Berlin macht es anders als Nordrhein-Westfalen. Das ist halt so auf dem föderalen Flickenteppich, der die Bildungslandschaft in der Bundesrepublik Deutschland ausmacht.
Deshalb ist es keine Überraschung, dass die Schüler in Brandenburg ohne Maske zur Schule kommen dürfen. In Berlin dürfen sie den Mund-Nase-Schutz im Unterricht ablegen, in Nordrhein-Westfalen nicht. Damit steigt Deutschland in den Feldversuch Schule ein. Erste Ergebnisse liegen bereits vor. Einige Schulen nehmen den Betrieb erst gar nicht auf, weil im Lehrerkollegium das Virus aufgetaucht ist. Und schon nimmt die Debatte wieder Fahrt auf. Ist es richtig, die Kinder wieder in die Klassenräume zu schicken? Ja, es ist richtig. Auch wenn es bundesweit wieder einmal keine einheitliche Regelung für den Neustart der Schulen gibt, ist es höchste Zeit, in den Präsenzunterricht zurückzukehren. Die Schülerinnen und Schüler haben bereits den großen Teil eines Schulhalbjahres verloren und Untersuchungen zeigen, dass außerhalb des Schulbetriebs die Lerndauer pro Tag mehr als halbiert wird. Wer Bildung in Deutschland noch ernst nimmt, darf das nicht ignorieren. Schließlich geht es darum, junge Menschen nach einem bestimmten Zeitraum ausbildungs- oder studierfähig aus der Schule zu entlassen.
Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass es für Schüler wie Lehrer in Nordrhein-Westfalen eine Zumutung ist, stundenlang mit einer Alltagsmaske in einem geschlossenen Raum zu sitzen. In den weiterführenden Schulen sind Zehn-Stunden-Tage keine Seltenheit. Da wird Lernen für die jungen Menschen auch körperlich eine echte Herausforderung. Da hilft es auch kaum, dass die Räume zwischendurch gelüftet werden, zumal es in den Räumen an Klimaanlagen fehlt und verbrauchte lediglich von viel zu warmer Luft ersetzt wird. Es ist auch ein schwacher Trost, dass die Regelung zunächst nur bis Ende August gelten soll. „Zunächst“ ist angesichts steigender Infektionszahlen die Option auf Verlängerung der Maskenpflicht. Und doch hat NRW-Ministerpräsident Armin Laschet recht damit, dass das Land sich zum Wohle der Jugend und der Wirtschaft keine weitere Bildungspause leisten kann.
Nun rächt sich, dass Deutschland und seine Bundesländer in den vergangenen Jahren viel zu wenig in die Infrastruktur ihrer Schulen investiert haben. Wäre die Digitalisierung nur halbwegs soweit fortgeschritten wie sie in den Sonntagsreden der Parteien vorkommt, dann ließe sich Unterricht weitgehend steril organisieren, indem beispielsweise im Wechsel nur die Hälfte einer Klasse physisch anwesend ist. Davon sind die meisten staatlichen Einrichtungen auch in Nordrhein-Westfalen meilenweit entfernt.