Zweifel an Bundeswehrreform wachsen
Berlin (dpa) - Nicht nur die Politik ist alarmiert: Nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg wird immer klarer, welche Probleme die Bundeswehrreform aufwirft. Der Wehrbeauftragte des Bundestages fordert bereits eine „B-Option“.
Die Kritik an der Bundeswehrreform wächst. Nach dem Rücktritt von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mehren sich die Zweifel, dass sich der Aufbau einer Freiwilligenarmee planmäßig umsetzen lässt. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), nennt den Zeitplan „sehr ehrgeizig“ und fordert eine „B-Option“ für den Fall, dass er scheitern sollte. Die SPD wirft Guttenberg vor, er habe die Reform „in eine Schieflage gebracht“, indem er sich zu sehr auf Finanzen und Strukturen konzentriert habe.
Die CSU lehnt Änderungen an dem Reformkonzept dagegen kategorisch ab. Parteichef Horst Seehofer warnte den neuen Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) vor Abstrichen. „Bei der Bundeswehrreform gibt es keinen Korrekturbedarf. Nur weil der Minister wechselt, ist doch die Reform nicht falsch. Sie wird weder verschoben noch verwässert, sondern wie geplant umgesetzt“, sagte der bayerische Ministerpräsident der „Bild am Sonntag“. Er forderte erneut, möglichst viele Bundeswehrstandorte zu erhalten.
De Maizière (CDU) hat bereits angekündigt, dass er die Reform auf den Prüfstand stellen will. Direkt nach seiner Amtsübernahme bekannte sich der CDU-Politiker zwar zum konsequenten Umbau der Streitkräfte, behielt sich aber Änderungen an den vorliegenden Plänen vor. Staatssekretär Walther Otremba, der unter Guttenberg für die Reform von Bundeswehr und Ministerium zuständig war, wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Kritiker werfen Otremba vor, er sei die Reform zu betriebswirtschaftlich angegangen.
Wer seine Nachfolge antreten soll, blieb zunächst offen. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums wies am Wochenende einen Bericht zurück, wonach Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche (CSU) in das Verteidigungsressort wechseln soll. Fritsche gilt als Vertrauter de Maizières und ist im Innenressort für die Terrorismusbekämpfung zuständig. Das Verhältnis zwischen de Maizière und Otremba soll schon lange gespannt gewesen sein. Der Minister werde über die Personalie kurzfristig entscheiden, erklärte der Sprecher.
Guttenberg hatte die Bundeswehrreform 2010 in die Wege geleitet und als ersten Schritt die Aussetzung der Wehrpflicht durchgesetzt. Bei dieser Entscheidung muss es nach Überzeugung von Union und SPD auch bleiben. „Eine Verschiebung der Reform hilft uns nicht weiter. Man kann jetzt doch nicht ernsthaft zur Wehrpflicht zurückkehren“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) der „Passauer Neuen Presse“. Und SPD-Verteidigungsexpertin Susanne Kastner sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Das Rad ganz zurückzudrehen, wäre jetzt falsch.“
Als eines der größten Probleme gilt das mangelnde Interesse von Freiwilligen. „Im Moment ist die Bundeswehr keine attraktive Armee“, sagte Königshaus der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe forderte im Deutschlandfunk konkrete Vorschläge, wie man den freiwilligen Dienst attraktiver gestalten könne. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Ulrich Kirsch, plädierte dafür, Freiwilligen schon jetzt die geplante Verpflichtungsprämie zu gewähren - und nicht erst nach der Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli.
Kastner warf Guttenberg vor, er sei die Reform falsch angegangen. Zunächst hätten die Ziele und dafür erforderlichen Fähigkeiten der Bundeswehr geklärt werden müssen - und erst dann die finanziellen Vorgaben und Strukturen. Die SPD-Politikerin plädierte dafür, die Bundeswehr bis einschließlich 2015 von sämtlichen Sparvorgaben zu befreien. „Wenn wir die Reform durchziehen wollen, brauchen wir erst einmal mehr Geld.“
Das verlangte auch Seehofer: „Wir sollten die Reform finanziell stärker begleiten. Also möglichst wenige Standorte schließen und mehr Geld in die Anwerbung von Nachwuchskräften für die Truppe stecken“, sagte der bayerische Ministerpräsident. Er forderte erneut ein Sonderprogramm für Gemeinden, in denen Bundeswehrstandorte geschlossen werden müssen.