Nach Guttenberg-Rücktritt: Offene Kritik an Lammert
Berlin (dpa) - Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gerät nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg zunehmend unter Beschuss. Nach der CSU griff auch Unionsfraktionschef Volker Kauder den Parteifreund offen an.
„Einige Wortmeldungen waren nicht nötig“, sagte Kauder der „Bild“-Zeitung (Montag) mit Blick auf Äußerungen von Lammert und Bildungsministerin Annette Schavan (beide CDU). „Vor allem die Bemerkungen des Parlamentspräsidenten haben in der Union zu erheblichem Unmut geführt. Hilfreich waren diese sicher nicht.“
CSU-Chef Horst Seehofer beharrt darauf, dass die CDU-Kritik an Guttenberg Konsequenzen haben muss. In der „Bild am Sonntag“ verlangte er deshalb erneut ein Vier-Augen-Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel. Er werde mit der CDU-Vorsitzenden „in aller Gelassenheit und Klarheit über den Umgang innerhalb der Union reden“, sagte der bayerische Ministerpräsident. Er wolle, dass sich solche Vorgänge „nicht mehr wiederholen“.
Schavan hatte über Guttenbergs Plagiatsaffäre gesagt, sie schäme sich als Wissenschaftlerin „nicht nur heimlich“. Über Lammert wurde berichtet, er habe den Umgang mit der Affäre als „Sargnagel“ für das Vertrauen in die Demokratie bezeichnet. Nach Angaben von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe soll Lammert damit aber nur die Abstimmung einer Boulevard-Zeitung über den Verbleib von Guttenberg im Kabinett gemeint haben. Der Parlamentspräsident selbst äußerte sich dazu bislang nicht.
Die CDU-Führung fordert nach den jüngsten Turbulenzen eine schnelle Rückkehr zur Sacharbeit. „Ich rate uns allen jetzt, gemeinsam nach vorne zu schauen“, mahnte Gröhe am Sonntag im Deutschlandfunk. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sieht seinen Wahlkampf durch die Guttenberg-Affäre belastet. „Die Sache hilft uns nicht, das ist klar“, sagte er dem Berliner „Tagesspiegel am Sonntag“.
In mehreren deutschen Städten gingen am Samstag Anhänger und Kritiker des bisherigen Verteidigungsministers auf die Straße. Zu den Sympathiekundgebungen hatte die Facebook-Gruppe „Wir wollen Guttenberg zurück“ aufgerufen. Bei Demonstrationen in Hamburg, Frankfurt, Köln und Berlin blieb die Zahl der Fans jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. So versammelten sich vor dem Brandenburger Tor in Berlin statt der angekündigten 1000 Unterstützer nur ein paar Dutzend Spötter, die Plakate mit Aufschriften wie „Jetzt oder nie: Monarchie“ oder „Gutti for Kaiser“ trugen.
In Guttenbergs oberfränkischer Heimatgemeinde forderten hingegen rund 2000 Menschen ein Comeback des CSU-Politikers, der wegen der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit alle Ämter niedergelegt hat. Unter den Demonstranten im Dorf Guttenberg war auch der Vater, der Dirigent Enoch zu Guttenberg, der die Kritik an seinem Sohn als „Menschenjagd“ bezeichnete. In München forderten rund 500 Menschen: „Wir wollen Guttenberg“.
Kauder und Gröhe wiesen den Vorwurf mangelnder Solidarität mit Guttenberg zurück. „Davon kann nicht die Rede sein! Pauschale Vorwürfe aus Bayern sind fehl am Platz“, sagte Kauder der „Bild“-Zeitung. Wir haben uns klar und deutlich hinter den Verteidigungsminister gestellt - da gab es kein Wackeln.“ Gröhe erklärte, natürlich spiegelten auch Äußerungen aus Reihe der CDU die Gefühle und Diskussionen dieser Tage wider. Auch er habe sich über manche Wortwahl geärgert.
Seehofer sieht die CSU durch den Abgang Guttenbergs belastet, aber nicht geschwächt. „Die Kraft der CSU ist ungebrochen.“ Er äußerte die Hoffnung, dass Guttenberg in die Politik zurückkehren wird. „Wir wollen ihn wiederhaben, und er hat das Zeug dazu.“ Nach einer Emnid-Umfrage für „Bild am Sonntag“ erwarten 52 Prozent der Bundesbürger, dass Guttenberg schon bald wieder als Politiker tätig sein wird.