Israel macht gegen die Hamas mobil

Regierung nutzt Entführung jüdischer Jugendlicher für große Militäroperation.

Benjamin Netanjahu, Israels Regierungschef.

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Tel Aviv. Es ist Israels größte Offensive gegen die Hamas im Westjordanland seit der Militäroperation „Verteidigungsschild“ im Jahre 2002. Rund 350 Palästinenser hat die Armee seit der Entführung von drei jüdischen Jugendlichen im Westjordanland festgenommen, die Mehrheit davon Mitglieder der radikal-islamischen Hamas. Für die Familien ist das spurlose Verschwinden der Jugendlichen am 13. Juni eine Katastrophe, politisch spielt sie dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu jedoch klar in die Hände.

Netanjahu nutzt die Affäre zu einem Kahlschlag gegen die Hamas und versucht gleichzeitig, einen Keil in die neue Einheitsregierung der Palästinenser zu treiben. Den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas hat er zum Bruch mit der Hamas aufgefordert, die Israel als verantwortlich für die Entführung sieht. Israels Operation „Bruders Hüter“, bei der bislang schon fünf Palästinenser zu Tode gekommen sind, habe klare politische Ziele, schrieb ein Kommentator der Zeitung „Haaretz“. „Israel will im Westjordanland eine neue Ordnung erzwingen.“

Bei den Razzien im Westjordanland geht Israel auch gegen die „Daawa“-Infrastruktur der Hamas vor. „Das Daawa-System ist stärker als die Politiker oder die militanten Kämpfer von Hamas“, erklärt ein palästinensischer Journalist. „Es ist der harte Kern der Bewegung. Über Moscheen und soziale Aktivitäten werden damit immer neue Mitglieder rekrutiert.“

Der große Druck auf Hamas ist jedoch auch ein Spiel mit dem Feuer. Hamas hat Israel vorgeworfen, es habe mit seiner neuen Offensive das „Tor zur Hölle“ geöffnet. Israelische Kommentatoren warnen vor einem neuen Schlagabtausch im Gazastreifen. Dort verfügt die Organisation über Raketen, die Ziele nördlich von Tel Aviv treffen können.

In Gaza selbst sieht man die Drohungen der Hamas allerdings mit einer gewissen Skepsis. Die letzten großen Runden der Gewalt mit Israel 2009 und 2012 haben der Organisation schweren Schaden zugefügt. Seit dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi vor einem Jahr hat die Hamas im Nachbarland zudem ihren wichtigsten Verbündeten verloren.

Die israelische Operation könnte der Hamas allerdings paradoxerweise wieder zu mehr Stärke verhelfen. „Die Palästinenser sind immer auf der Seite des Schwächeren, deshalb wird die Hamas jetzt vermutlich wieder populärer“, meint der palästinensische Journalist.