Journalisten kritisieren ARD-ZDF-Bevorzugung
Berlin (dpa) - Bundespräsident Christian Wulff hat mit seinem Exklusiv-Interview für ARD und ZDF die versammelte Hauptstadtpresse vor den Kopf gestoßen.
Die Bundespressekonferenz (BPK), in der mehr als 900 Parlamentskorrespondenten organisiert sind, habe bereits vor Monaten den Präsidenten zu einer Pressekonferenz eingeladen. Die Einladung sei Anfang dieser Woche wiederholt worden, sagte der BPK-Vorsitzende Gregor Mayntz am Donnerstag der dpa. „Wir stehen weiter dazu bereit“, ergänzte er. Stattdessen entschied sich das Bundespräsidialamt am Mittwoch für ein Interview bei ARD und ZDF, das am Abend fast 11,5 Millionen Zuschauern sahen.
Bereits am Mittwochnachmittag - noch vor Ausstrahlung des Interviews - hatten sich etliche Privatsender mit einer gemeinsamen Protestnote beim Bundespräsidialamt „gegen diese Ungleichbehandlung“ beschwert. „Natürlich steht es dem Bundespräsidenten frei zu reden, mit wem er will. Seine Entscheidung, dieses wichtige Interview alleinig zwei öffentlich-rechtlichen Sendern zu geben, stellt allerdings eine enorme Benachteiligung für uns dar“, sagte der Chefredakteur des Nachrichtensenders n-tv, Volker Wasmuth.
Die Sprecherin des Konkurrenzsenders N24, Kristina Faßler, sagte der „Frankfurter Rundschau“: „Seine Erklärung ist von so breitem öffentlichem Interesse, dass die Entscheidung, nur ARD und ZDF zu bedienen und das duale System einfach zu ignorieren, weder nachvollziehbar ist, noch dem Amt an sich gerecht wird.“ Auch die Journalistengewerkschaft DJV und der Verlegerverband BDZV zeigten sich verwundert über Wulffs Entscheidung.
Der Kommunikationstrainer Christoph Schwab nannte es unklug, dass Wulff keine Pressekonferenz einberufen hat. „Ich muss mich den Fragen stellen. Und dann mach ich die Pressekonferenz auch so lange, bis wirklich der Letzte gefragt hat“, sagte Schwab der Nachrichtenagentur dpa. Das Interview selbst bezeichnete er als „Staatsfernsehen“, weil die beiden Fragesteller Ulrich Deppendorf und Bettina Schausten nicht kritisch nachgefragt hätten, wo sie es hätten machen können. „So war es leider nur ein Bestandsaufnahme-Journalismus.“
Der Historiker Paul Nolte (Freie Universität Berlin) sieht in dem Vorgehen Wulffs hingegen einen „akzeptablen Mittelweg“ zwischen Interview und Verlautbarung. Einen Mangel an öffentlicher Beteiligung rund um die Wulff-Affäre könne er nicht erkennen. Die Bürger äußerten sich heute ohnehin über viele Kanäle - von Twitter bis Facebook, sagte er der dpa.
Im Medienecho nach dem Interview steht Wulff meist als Verlierer der 21 Fernsehminuten da. „Wulff hat sich mit dem Interview (...) keinen Gefallen getan. Es geht Wulff längst nicht mehr um das Amt. Es geht um seine politische Karriere, um ihn und nur um ihn“, schrieb „Stern.de“. Die „Süddeutsche Zeitung“ kommentierte: „Er ist ein Präsident, der sich in seiner Schwäche an seinem Amt festhält, weil ihm das Amt den Halt gibt, den er ansonsten nicht hat.“ Und die „Financial Times Deutschland“ urteilte ebenso knapp wie hart: „Schloss Bellevue verkommt zum Gespensterschloss. Sein Herr ist von allen guten Geistern verlassen.“ Und für die „Badischen Neuesten Nachrichten“ sitzt dort „ein Bundespräsidenten-Azubi“.