„Kaktus 1549 an Tower: Wir werden im Hudson enden“
Das Ermittlerteam hat sich von den beiden Piloten und den drei Flugbegleitern die entscheidenden fünf Minuten in aller Genauigkeit schildern lassen, und Sprecherin Higgins gibt die Details an die Journalisten weiter.
New York. Co-Pilot Jeffrey Skiles (49) sieht die Gefahrzuerst - einen Schwarm großer, brauner Vögel. Sie fliegen majestätischin einer Linie, dunkel gegen den gleißenden Himmel. Als Kapitän ChesleySullenberger (57) von seinem Instrumenten-Check aufschaut, ist dieWindschutzscheibe plötzlich voll von ihnen.
Sein erstes Gefühl ist, sich zu ducken. Doch im selben Augenblick hörter einen dumpfen Schlag - ein Geräusch, wie es die erfahreneFlugzeug-Besatzung bisher noch nie gehört hat. Und dann ist esplötzlich still, totenstill. Die beiden Airbus-Motoren sind verstummt.
Es riecht nach verschmortem Draht, verbrannten Federn. So beschreibtdie Sicherheitsexpertin Kathryn Higgins den Vorfall, der am Donnerstagzu der spektakulären Notlandung des US-Airways-Flugs 1549 auf demHudson River in New York führte.
Das Ermittlerteam hat sich von den beiden Piloten und den dreiFlugbegleitern die entscheidenden fünf Minuten in aller Genauigkeitschildern lassen, und Sprecherin Higgins gibt die Details an dieJournalisten weiter, akribisch genau wie aus einem Logbuch. „Die Crewhat von einer völligen Stille in der Maschine gesprochen, wie in einerBibliothek“, sagt Higgins.
Sullenberger („Sully“) braucht danach keine Sekunde für seineEntscheidung. „Mein Flugzeug“, sagt er in typischer Fliegersprache zuseinem Co-Piloten, der am Schaltknüppel sitzt - und Skiles weiß, dasser den Platz zu räumen hat: „Ihr Flugzeug.“
Die Maschine befindet sich zu dem Zeitpunkt auf etwa 900 Meter Höhe,Fluggeschwindigkeit 400 Stundenkilometer. Der Start vom New YorkerFlughafen La Guardia liegt keine zwei Minuten zurück. „Hier ist Kaktus1549“, meldet Sullenberger an den Tower. Kaktus ist im Flugfunk derCodename für die Fluggesellschaft US Airways. „Wir haben den Schub inbeiden Maschinen verloren. Wir kehren um.“
Aber dafür ist es schon zu spät, stellt sich heraus. Der Kapitän erwägtnoch eine Landung auf einem zweiten Flughafen auf der anderen Seite desFlusses. Inzwischen jedoch ist die Maschine „zu niedrig, zu langsam“,sagt er. Der Anflug über dem dicht besiedelten Gebiet könnte zu einerKatastrophe werden. „Wir schaffen es nicht. Wir werden im Hudsonenden.“ Das ist die letzte Mitteilung, die der Tower bekommt.
Sullenberger, ein ehemaliger Kampfpilot mit 40 Jahren Flugerfahrung,bringt die Maschine noch über die George Washington Bridge und setztsie dann aufs Wasser - möglichst nah an einer Fähre, damit schnellHilfe kommt. „Fertigmachen zum Aufprall“, gibt er den Passagieren nochdurch, die Flugbegleiter schreien durch die Kabine „Achtung! Köpferunter!“ - und dann berührt die Maschine auch schon die Oberfläche.Dreieinhalb Minuten sind seit dem Vogelschlag vergangen.
„Es war wie eine harte Landung, mehr nicht“, erinnert sich einFlugbegleiter. Er weiß noch nicht, dass draußen nichts ist als Wasser.„Evakuieren!“, kommandiert „Sully“ per Lautsprecher knapp. Innerhalbvon wenigen Minuten und fast ohne Panik verlassen die 150 Passagieredie Maschine. Die Fähre nimmt einen Teil auf, die anderen warten aufden überspülten Tragflächen auf Rettung - es sieht aus, als könnten sieauf dem Wasser stehen.
Der Pilot geht als Letzter von Bord. Er sucht zuvor noch einmal diesinkende Maschine ab, um auch wirklich niemanden zurückzulassen.Passagier Billy Campbell steht zufällig neben ihm im Rettungsboot. „Ichhabe ihn am Arm genommen und mich im Namen von uns allen bedankt“,erzählt Campbell. „Er hat nur gesagt: Gern geschehen.“