Koalitionsgipfel Koalitions-Knatsch: Die Lage ist ernst. Sehr ernst.

Auch der Koalitionsgipfel bringt die Streitparteien CDU und CSU nicht weiter. Im Asyl-Streit steht es nach dem Treffen erst recht Spitz auf Knopf.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), SPD-Vorsitzende Andrea Nahles und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stehen vor dem Koalitionsausschuss auf einem Balkon des Bundeskanzleramts.

Foto: Bernd von Jutrczenka

Berlin. Diesmal durften auch die Bürger beim Koalitionsgipfel zuschauen: Am Morgen danach im Frühstücksfernsehen. Nacheinander traten dort die Fraktionschefs von CDU und SPD sowie der Landesgruppenchef der CSU auf. Der Eindruck, den sie von der vierstündigen Krisensitzung am Vorabend vermittelten: Die Lage ist ernst. Sehr ernst.

Gäbe es nicht den Streit zwischen CSU und CDU um die Flüchtlingsfrage, dann hätte die Große Koalition mal wieder ungestört eine Wohltat verkünden können: Beim Baukindergeld entfällt die zunächst geplante Begrenzung auf 120 Quadratmeter. Nun kann die Förderung auch für größere Häuser beantragt werden, wichtig vor allem in ländlichen Regionen. Um die Kosten nicht aus dem Ruder laufen zu lassen, können die Anträge allerdings nur bis Ende 2020 gestellt werden. Dieser Punkt, von der CDU auf die Tagesordnung gesetzt, wurde schnell abgeräumt. Und auch die von der CSU erbetene Debatte zu den jüngsten deutsch-französischen Vereinbarungen für Europa gab es. Nur minimale Meinungsunterschiede blieben.

Ganz anders aber in der zentralen Frage. Hier steht es nach dem Treffen erst recht Spitz auf Knopf. Die Entspannungssignale, die es noch am Dienstag in diversen Interviews gegeben hatte, wiederholten sich nicht. In der Runde war keinerlei Einigung zwischen Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erkennbar. Von regelrechter Kommunikationslosigkeit und einer angespannten Stimmung zwischen beiden wurde sogar berichtet. Seehofer blieb unpräzise. Und Merkel machte keine Kompromissvorschläge. Gegenüber der auf Klarheit drängenden SPD teilten beide Seiten nur mit, dass es am Sonntag in getrennten Sitzungen in München und Berlin definitiv eine Entscheidung geben werde. Aber erst tief in der Nacht zum Montag.

Durch den Streit verschiebt sich der komplette Ablauf der nächste Woche, die eigentlich mit der Haushaltsdebatte im Bundestag beginnen sollte. Die Opposition protestierte bereits deshalb. Stattdessen gibt es nun Montagfrüh Sondersitzungen der SPD-Führungsgremien und Fraktionssitzungen aller Parteien. „Es ist sehr ernst“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder. „Da geht es nicht nur um eine Kleinigkeit.“ Das sah auch SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles so: „Wir haben eine ausgesprochen angespannte Lage in dieser Regierung.“ Rauswurf Seehofers durch die Kanzlerin, Ende der Koalition, Rücktritt Merkels, Vertrauensfrage, Neuwahlen — alles ist möglich.

Den so genannten „Masterplan Migration“ bekam Nahles in der Koalitionsrunde nicht zu sehen. Und von Seehofer bekam sie auch keine Reaktion auf ihren Vorschlag, für Flüchtlinge, die bereits in Italien Asyl beantragt haben, das beschleunigte Verfahren anzuwenden. Innerhalb einer Woche könne man über ihre Zurückweisung entscheiden, so die Sozialdemokratin in der Runde. Die SPD hätte nicht einmal etwas dagegen, wenn dafür die Schleierfahndung in den Grenzregionen ausgeweitet würde. Nur geschlossene Grenzen will sie nicht. Ebenso wenig wie Merkel. Es gehe nicht um das Ob der Zurückweisung, ließ die SPD-Seite die anderen wissen. Sondern um das Wie.

Doch die CSU scheint wild entschlossen. Ihr Landesgruppenchef Alexander Dobrindt betonte gestern früh: „Wir wollen, dass ab der darauffolgenden Woche auch die Zurückweisungen an der Grenze stattfinden.“ Das sei geltendes Recht. Aufmerksam beobachtet wurde bei SPD und CDU, dass Dobrindt, wie zuvor schon Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, die Gruppe der Zurückzuweisenden weiter definierte als Seehofer. Der Landesgruppenchef sprach von „denjenigen, die in einem anderen europäischen Land bereits registriert sind und deswegen auch dort ihr Asylverfahren durchlaufen müssen“. Das wären rund 60.000 Fälle pro Jahr. Seehofer hingegen sagte in der Koalitionsrunde, es gehe um die, die auch schon woanders im Asylverfahren seien. Das wären nur 15.000 Betroffene, die zurückgeschickt werden würden. Meist nach Italien.

Allerdings hat Rom bereits erklärt, dass es keine Flüchtlinge zurücknehmen will, egal wie viele. Angela Merkel, die sich beim Koalitionsgipfel nicht in die Karten schauen ließ, setzt trotzdem weiter auf eine europäische Lösung und auf bilaterale Abkommen. Allerdings hatte sie die Erwartungen daran zuletzt wieder gedämpft. Donnerstagfrüh will sie im Bundestag eine Regierungserklärung abgeben, ehe es zum EU-Gipfel nach Brüssel geht. Dort freilich ist das Flüchtlingsthema nur eines unter vielen; mehr als zwei, drei Stunden beim Abendessen wird dafür kaum Zeit sein. Und außer der allgemeinen Bekräftigung, dass man „Sekundärmigration“ von bereits registrierten Flüchtlingen in andere Länder verhindern will, ist wenig Konkretes zu erwarten. Danach kommt der Showdown in Berlin und München.