Grundbildung Analphabeten sind kränker und sterben früher
Volkshochschulverband in NRW weist auf die Bedeutung der Gesundheitskompetenz hin.
Düsseldorf. „Achtung Lebensgefahr! Risiken und Nebenwirkungen in einem Leben ohne Schrift“, hat Marion Döbert ihren Vortrag überschrieben. Mit dem will die Fachbereichsleiterin Gesundheit, Alphabetisierung und Grundbildung bei der VHS Bielefeld wachrütteln, nicht dramatisieren, denn, so Döbert: Funktionale Analphabeten (Menschen, die nicht richtig schreiben und lesen können) „führen ein kränkeres Leben und erleiden einen früheren Tod“.
Zum Weltalphabetisierungstag am Dienstag, dem 50. überhaupt, macht die VHS in NRW auf die Bedeutung der „Health Literacy“, der Gesundheitskompetenz, aufmerksam. Zu einem Informationsnachmittag kamen Experten und Interessierte der Weiterbildung am Montag in Düsseldorf zusammen.
Fehlende Gesundheitskompetenz löst eine Kettenreaktion aus 1,5 Millionen funktionale Analphabeten leben in NRW. Menschen, die in vielen Bereichen ihres Alltags, also auch im Gesundheitsbereich, benachteiligt sind. „Sie haben Probleme, ihren Namen zu schreiben, die Informationen auf dem Beipackzettel eines Medikamentes zu lesen oder die Sicherheitshinweise am Arbeitsplatz zu verstehen“, betont Schul- und Weiterbildungsministerin Sylvia Löhrmann (Grüne), die qua Amt, aber auch als Schirmherrin des Alpha-Netzes NRW zuständig ist.
Das Alpha-Netz bemüht sich, vor allem auf lokaler Ebene Bündnisse aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft im Dienste der Alphabetisierung zu schmieden. Das Ministerium fördert die Aktivitäten mit 85 000 Euro in diesem Jahr (darunter eine halbe Projektstelle), 500 000 Euro sollen 2016 für Projektförderung Alphabetisierung und Grundbildung folgen.
Die fehlende Gesundheitskompetenz löst bei Analphabeten eine krankmachende Kettenreaktion aus: Sie können Angebote wie Prävention oder Nachsorge nicht wahrnehmen, Therapien nicht befolgen, leiden letztlich häufiger an schweren und chronischen Krankheiten wie Diabetes und Herzgefäßerkrankungen. Außerdem machen ihre Lebensumstände — zum Beispiel Arbeitslosigkeit, Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung oder beengte Wohnverhältnisse — krank.
Psychische Probleme kommen hinzu, weil die niedrige Schriftsprachkompetenz weitgehend verheimlicht wird. Schließlich, so betont Marion Döbert, kennen diese Menschen Mord, Verwahrlosung, Missbrauch und andere Kriminaldelikte oft nicht nur aus dem Fernsehen, sondern aus eigener Anschauung. Abhilfe zu schaffen, sei eine Daueraufgabe, sagt Löhrmann: „Wir brauchen einen langen Atem, aber es gibt gute Ansätze.“