Analyse: Ruf nach Verantwortung in Zeiten der Krise
Der Kirchentag in Bremen versteht sich als evangelische Zeitansage.
Bremen. Mit der Bundesrepublik blickt auch der Deutsche Evangelische Kirchentag in diesem Jahr auf eine 60-jährige Geschichte zurück. Das Laientreffen, das 1949 in Hannover seinen Anfang nahm und seit 1957 im Zweijahresrhythmus ausgerichtet wird, versteht sich traditionell als evangelische Zeitansage. Dahinter steht der Anspruch, als Kirche zu gesellschaftlich relevanten Themen Position zu beziehen.
Das soll auch beim 32. Kirchentag nicht anders sein, wenn von Mittwoch an bis zum Sonntag in Bremen mehr als 100 000 Dauerteilnehmer und allein zum Eröffnungsabend der Begegnung 300 000 Tagesgäste erwartet werden. Die diesjährige Kirchentagslosung "Mensch, wo bist du?" kommt zwar erstmals als Frage daher.
Aber die Bibelstelle, der Paradiesgeschichte im 1. Buch Mose entnommen, soll auffordern, Verantwortung zu übernehmen. "Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise haben wir ganz nach oben auf die Tagesordnung gesetzt", sagt die Kirchentagspräsidentin Karin von Welck.
An diesem Anspruch wollen sich auch Spitzenpolitiker quer durch die Parteien messen lassen. Bundespräsident Horst Köhler kommt drei Tage vor seiner möglichen Wiederwahl zur Eröffnung nach Bremen. Einen Tag später folgen Herausforderin Gesine Schwan, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Platter Wahlkampf ist eher nicht zu befürchten. Politiker-Sprechblasen kommen beim kritisch-selbstbewussten Kirchentagspublikum nicht gut an. Ein Grund, warum Politiker hier oft nachdenklicher zu erleben sind als bei anderen öffentlichen Auftritten.
Aber auch die innerkirchlichen Spitzenkräfte stehen unter besonderer Beobachtung. Denn der deutsche Protestantismus stellt sich personell neu auf. Nach der Wahl der grünen Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt zur neuen Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) steht im Oktober in Ulm noch die Entscheidung über einen Nachfolger für den EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Wolfgang Huber an.
Den Kirchentag mit seinen 2500 Veranstaltungen auf ein Stelldichein der Prominenz zu reduzieren, würde seiner Anziehungskraft aber nicht gerecht. Viele neue Formen der Liturgie und Glaubenspraxis haben ihren Ursprung in den Kirchentagen.
Und bevor sich das fröhlich-bunte Treiben auf die unterschiedlichsten Angebote verteilt, herrscht Morgen für Morgen in den Messehallen konzentrierte Aufmerksamkeit - bei den zahlreichen parallelen Bibelarbeiten.