Analyse: Wer ist der Sozialste im Land?
Ministerpräsident Rüttgers und Herausforderin Kraft liefern sich bei der Etat-Debatte einen harten Schlagabtausch.
Düsseldorf. Die Personalien sind geklärt, die Lager formieren sich: Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und Hannelore Kraft prallten gestern erstmals seit Krafts Wahl zur SPD-Landeschefin aufeinander. In der Etat-Debatte des Landtags wurde schnell klar: Hier streiten Titelverteidiger und Herausforderin. Und sie kämpfen vor allem um die soziale Kompetenz. Beide reklamierten sie für sich, beide sprachen sie dem Kontrahenten ab. "Sie machen eine Politik der Täuschung und Enttäuschung", hielt Kraft Rüttgers vor. Die SPD-Frontfrau listete auf: Streichungen bei den Kindergärten, ein verschärftes Schulgesetz, Einschränkung der Mitbestimmung. Das alles sei ein klarer Beleg für eine verfehlte, weil unsoziale Politik der schwarz-gelben Landesregierung. Rüttgers erinnert an die Abschlussbilanz von Rot-Grün Das richtete sich gegen den Kern der Rüttgers’schen Regierungsphilosophie, hat der sich doch zum "Arbeiterführer von NRW" ausrufen lassen. Also keilte er zurück und erinnerte an die Abschlussbilanz von Rot-Grün, wie er sie im Sommer 2005 vorgefunden hat. Eine Million Arbeitslose, fünf Millionen Stunden Unterrichtsausfall und schlechte Ergebnisse beim Pisa-Bildungstest. "War das etwa sozial? Nein", rief er seiner Widersacherin zu. Die ersten 20 Monate seiner Regierung trügen schon Früchte. So sei die Zahl der Arbeitslosen um 123 000 gesunken, die Neuverschuldung halbiert und der Unterrichtsausfall deutlich reduziert. Die Debatte ist ein Vorgeschmack auf die Landtagswahl 2010 "Die Arbeitslosigkeit ist trotz Ihrer Regierung gesunken. Das ist nicht Ihr Verdienst", lauteten die Zwischenrufe aus den Reihen der SPD. Und die Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann setzte noch einen drauf. Sie nannte Rüttgers einen "Hobby-Sozialisten" und riet ihm, "seinen gebügelten Blaumann in die Altkleidersammlung der Caritas" zu geben. Die Debatte war wohl ein Vorgeschmack dessen, was in den kommenden Jahren bis zur Landtagswahl 2010 folgen wird - ein Wettbewerb unter dem Motto: "Wer ist der Sozialste im ganzen Land?" Dass es eigentlich um den Haushalt für das laufende Jahr gehen sollte, spielte beim Schlagabtausch nur eine Nebenrolle. Derweil tickt die Schuldenuhr weiter. Finanzminister Helmut Linssen (CDU) macht in diesem Jahr weitere 3,2 Milliarden Euro Neuschulden. Insgesamt steht das Land nun mit rund 115 Milliarden Euro in der Kreide. Ein ausgeglichener Etat wird von CDU und FDP nun für 2010 angepeilt. Aber das wird nur funktionieren, wenn die Konjunktur weiter gut läuft.