Ausschuss zum Fall Sami A.: SPD wirft Stamp „Selbstjustiz“ vor

Der Weg von Sami A. nach seiner Einreise 1997 wird im Ausschuss nachgezeichnet. NRW sei nach seiner Abschiebung „sicherer geworden“.

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<h2>Wie wurde Sami A. im Rechts- und Integrationsausschuss im NRW-Landtag dargestellt?

Laut der Ausführungen von Flüchtlingsminister Joachim Stamp sei der Tunesier Sami A. 1997 legal zu Studienzwecken in Deutschland eingereist. Zeugen hatten ihn Ende 2002 anlässlich des Prozesses gegen Angehörige der Al-Tawhid — einer bewaffneten Islamisten-Gruppe, die konkrete Anschlagspläne in Deutschland verfolgte — vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht ins Visier der Sicherheitsbehörden befördert. Sami A., so der Hauptbelastungszeuge, habe in Afghanistan eine militärische Ausbildung absolviert und der Leibwache Osama bin Ladens angehört. Diese Vermutung, die erst am 15. April 2015 gerichtlich bestätigt wurde — wird von Sami A. bestritten.

Schon am 10. März 2006 wurde er mit einer Ordnungsverfügung ob dieser Zeugenaussagen und der Feststellung des OLG Düsseldorf aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und die Abschiebung angedroht. Einen Monat später beantragte Sami A. Asyl, der Antrag sei aber als unbegründet abgelehnt worden. Am 21. Oktober 2010 stellte das Bamf ein Abschiebeverbot für Tunesien fest, am 15. April 2015 wurde die Ausweisungsverfügung bestätigt.

In der Annahme, dass von Sami A. eine erhebliche Gefahr ausgehe, ordnete das Amtsgericht Bochum, wo Sami A. mit Frau und Kindern seit Jahren lebte, am 25. Juni 2018 die Abschiebehaft in Büren an. Dabei habe sich das Gericht auch auf seine Aussage gegenüber einer Zeugin gestützt, „Deutschland wird Blut weinen“, wenn er abgeschoben werde.

Gegenüber der Zeugin soll Sami A. auch den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gut geheißen haben: Die Toten seien eine verdiente Strafe, da Deutschland ihm das Leben schwer mache.

Zuletzt habe der Landesverfassungsschutz am 12. Juli 2018 bestätigt, dass Sami A. in islamistisch extremistischen Kreisen verkehrte und innerhalb der salafistischen Szene als Gelehrter hohes Ansehen genieße. Unregelmäßig habe Sami A. demzufolge auch gegen seine räumliche Beschränkung auf die Stadt Bochum verstoßen und dafür sein Handy ausgeschaltet.

Wahrscheinlich hat er das unter rechtlichen Gesichtspunkten. Stamp macht auch gar kein Geheimnis daraus, dass er „alles“ unternommen habe, „um die Gefahr abzuwenden. Endlich hat die Regierung etwas geschafft, das jahrelang nicht gelungen ist“, sagte Stamp, NRW sei „dadurch sicherer geworden“. Während Stamp die gelungene Abschiebung des Gefährders als Zielläufer als Erfolg wertet, auf den man stolz sein könne, kritisiert die Opposition den gegangenen Weg. Auf die Frage, warum zum Beispiel das Bamf nicht informiert gewesen sei, sagte Stamp: „Weil sie nicht gefragt haben.“

Der SPD-Abgeordnete Sven Wolf aus Remscheid konstatierte, die Landesregierung habe „eine tiefe Vertrauenskrise ausgelöst“, er sprach von „Selbstjustiz“ des Ministers und sagte: „Die Landesregierung konnte den Vorwurf, Gerichte und Öffentlichkeit getäuscht zu haben, heute nicht entkräften. Im Gegenteil: Sie hat es sogar zugegeben. Stamp habe „heimlich“ abgeschoben, „hinter dem Rücken des Gerichts“. Berivan Aymaz von den Grünen kritisierte, Stamp gehe „Diskretion und Publicity vor Rechtsstaatlichkeit“. Sami A. wäre „sehr wahrscheinlich auch zeitnah rechtssicher abgeschoben worden“.

„Wir sind angewiesen auf vollständige Information“, sagte am Freitag ein Sprecher des Verwaltungsgerichts. Die habe man im Fall Sami A. nicht erhalten. Eine Abschiebung sei durch die Zweiteilung des Systems über das Asylrecht auf der einen und das Ausländerrecht auf der anderen Seite kompliziert. „Wenn sich dann noch Ministerien einschalten, wird es noch schwieriger.“ Die Aussagen Stamps, er habe von der Beschäftigung des Verwaltungsgerichts nichts gewusst, hält der Sprecher für nicht glaubwürdig. „Ich denke, da sind Profis am Werk, und die müssen wissen, dass es entscheidend auch auf die asylrechtliche Frage ankommt.“