Asylpolitik Warum Abschiebungen aus Deutschland oft so schwierig sind

Die Abschiebung von Sami A. steht aktuell in der Kritik. Immer wieder gibt es brisante Fälle. Und ebenso Kritik, dass Abschiebungen zu lange dauern. Ist der Rechtsstaat in Gefahr? Ein Interview mit Ulrich Schellenberg, Präsident des Deutschen Anwaltvereins.

Foto: dpa

Berlin/Bochum. Der als Gefährder eingestufte Islamist Sami. A. ist offenbar rechtswidrig nach Tunesien abgeschoben worden. Bei der Abschiebung eines Flüchtlings nach Afghanistan musste auch das Bundesinnenministerium „Behördenfehler“ einräumen. Ist der Rechtsstaat in Gefahr? Darüber sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter mit dem Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins (DAV), Ulrich Schellenberg.

Herr Schellenberg, warum sind Abschiebungen aus Deutschland so schwierig?

Ulrich Schellenberg: Schwierig? Das würde ich pauschal so nicht unterschreiben.

Aber nicht selten ziehen sich solche Verfahren doch über Jahre hin.

Ulrich Schellenberg: Viele Bürger in Deutschland sind davon überzeugt, dass möglichst viele Flüchtlinge so schnell wie möglich wieder abzuschieben sind. Auf der anderen Seite wollen sie aber, dass die Verwaltung jeden Fall sorgsam prüft, der sie selbst betrifft. Das kann ein Bauantrag sein, eine Gaststättenerlaubnis, oder eine Kfz-Zulassung.

Sie meinen, der Rechtsstaat muss auch einen Gefährder aushalten können?

Ulrich Schellenberg: Genau das meine ich. Jeder Mensch, der in Deutschland ist, hat Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verwaltungsverfahren. Er hat Anspruch darauf, dass er angehört wird und dabei alle Rechte und Gesetze gewahrt werden. Der Rechtsstaat braucht Zeit.

Aber sogar Regierungspolitiker sprechen von einer Anti-Abschiebe-Industrie…

Ulrich Schellenberg: Das weisen wir auch klar zurück, weil damit der Eindruck erweckt wird, dass es finstere Mächte gebe, die etwas sabotieren, was ansonsten reibungslos durchlaufen würde. Jede Verwaltungsentscheidung kann man gerichtlich überprüfen lassen. Das ist eine Stärke, ein Kulturwert unserer Gesellschaft, der auch in Zeiten gelten muss, da es vermeintlich sperrig oder schwierig wird. Gerade das unterscheidet uns doch wohltuend von autoritären Systemen.


(Ulrich Schellenberg, Präsident des Deutschen Anwaltsvereins. Foto: Sven Serkis, Berlin)


Mischt sich Politik inzwischen zu sehr ins juristische Handwerk ein?

Ulrich Schellenberg: Jein. Politik muss klare Ansagen machen. Aber sie drückt sich in Gesetzen aus, an die Verwaltung und Justiz gebunden sind. Diesen Gestaltungsspielraum darf die Politik nicht verlassen. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann man inzwischen tatsächlich den Eindruck gewinnen, dass da ein sehr starker politscher Druck auf der Verwaltung lastet. Dadurch passieren Fehler, die am Ende noch mehr Zeit kosten. Es kann doch nicht sein, dass wir einen afghanischen Flüchtling erst ausfliegen, um ihn dann wieder zurückzuholen, weil Behörden unrechtmäßig Fakten geschaffen haben.

Wie schätzen Sie die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Verwaltungsgerichten ein?

Ulrich Schellenberg: Nach allem, was ich höre, ist das Bamf überfordert, weil es sehr viele Fälle in möglichst kurzer Zeit entscheiden soll. Und dabei funktioniert die Kommunikation mit den Gerichten nicht immer reibungslos. Da kommen Bamf-Vertreter nicht zu den Prozessen, werden Anfragen der Gerichte nicht beantwortet und vieles mehr.

Wäre es nicht besser, wenn der Bund die alleinige Zuständigkeit für eine Abschiebung von Gefährdern übernehmen würde?

Ulrich Schellenberg: Eine Debatte über Zuständigkeiten lenkt vom aktuellen Hauptproblem ab. Entscheidend bleibt, dass die Verwaltung, also das Bamf, funktioniert. Und wenn der Vorrang der Justiz vor der Verwaltung nicht eingehalten wird, dann ist das wirklich eine Gefahr für den Rechtsstaat.