NRW Bei Hilfen für arme Kinder ist Dormagen vorbildlich
Kinderschutzbund stellt sich hinter das Präventionsprojekt „Kein Kind zurück lassen“ der NRW-Landesregierung. Ein besonders gutes Beispiel dafür gibt es in Dormagen.
Düsseldorf/Dormagen. „Prävention wirkt doch!“, sagt der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, bestimmt und tritt Kritik von FDP und CDU am Landesprogramm „Kein Kind zurück lassen“ (Kekiz) entgegen. Die Oppositionsparteien bezweifeln den Nutzen des Programms der rot-grünen Landesregierung, während umgekehrt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nicht müde wird, das Herzstück ihrer Regierungsarbeit zu verteidigen.
Gestern stellte Hilgers am Beispiel der Modellkommune Dormagen in Düsseldorf dar, dass und wie Präventionsarbeit Kinderarmut entgegenwirken kann und leistete so Kraft Schützenhilfe. Kern- und Angelpunkte dabei seien die Menschen, die die Arbeit leisteten, und Zeit. Hilgers: „Politiker sind zu ungeduldig, denken in Legislaturperioden.“ Das passe nicht zu den Lebensläufen der Kinder. 30 Jahre dagegen, das belegten amerikanische Untersuchungen, sei eine realistische Zeitspanne.
Allerdings, so Hilgers weiter, könnten kommunale Präventionsprojekte nur „einen Beitrag dazu zu leisten, dass Kinderarmut nicht automatisch von Generation zu Generation vererbt wird“.
Harsche Kritik dagegen übt Hilgers an der Familienförderung des Bundes: Die beinhalte „allerlei Unfug und Bürokratie“, müsse „endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden“. Familien, die aufgrund ihres hohen Einkommens den Spitzensteuersatz zahlten, erhielten durch den steuerlichen Kinderfreibetrag einen Vorteil von 290 Euro, während das Kindergeld 192 Euro betrage. Im Bund sei die Kinderarmut denn auch um 0,1 Prozent gestiegen, während sie in NRW um 0,7 Prozent gesunken sei.
Wie gut, dass es die Vorzeigestadt Dormagen gibt, in der Hilgers bis 2009 Bürgermeister war. Um die 65 000 Bürger der Stadt im Rhein-Kreis Neuss kümmern sich zehn Sozialarbeiter — und das vom Lebensanfang der Kinder an. Die Geburtenrate liegt bei 500, Tendenz steigend. „Wir besuchen alle Familien, die Nachwuchs haben“, erklärt Martina Hermann-Biert, Fachbereichsleiterin Jugend in Dormagen. Dabei gehe es um Wertschätzung der und praktische Hilfen für die Familien, nicht um Kontrolle.
Außerdem habe man ein Hilfe-Netzwerk geknüpft, das von der Geburt bis zum Einstieg ins Berufsleben reiche. Alle Vierjährigen werden vom Arzt untersucht, es gibt Sprachförderung für Unter-Zwei-Jährige. Mit Erfolg: Während NRW-weit 2015 insgesamt 603 Kinder vom Jugendamt aus ihren Familien genommen werden mussten (nach 310 im Jahr 2005), gibt es in Dormagen kaum Inobhutnahmen Minderjähriger. Und: Im Brennpunktviertel Hackenbroich ist die Quote der Kinder mit Sprechdefiziten bei der Einschulungsuntersuchung von rund 30 Prozent (2005) auf 12 Prozent (2013) gesunken.
Die Anfänge der intensiven Betreuung liegen in den 90er Jahren, 2005 wurde das Projekt, das durch die Hartz-IV-Einführung unterbrochen war, neu aufgelegt. Anfangs noch ohne Förderung durch Kekiz, das 2012 startete.
Das Landesprogramm führt überdies dazu, dass immer mehr Kommunen am Dormagener Modell Interesse zeigen, freut sich Hilgers. Erfolgreich könnten diese aber nur sein, wenn ihre Leute wirklich mitmachten: „Die Welt wird nicht durch Gesetze, sondern durch gute Beispiele besser. Wenn Mitarbeiter nicht vor Ort sind, kann die Landesregierung auch nichts ändern.“