Daniel Bahr im WZ-Interview: „Wir werden uns verlorenes Vertrauen zurückerarbeiten“
Minister Daniel Bahr zur Lage seiner FDP im Bund und zu den Aussichten in NRW.
Herr Bahr, was verschreibt der Gesundheitsminister dem Patienten FDP zur Genesung?
Bahr: Wir müssen uns nicht neu erfinden, aber brauchen weitere Erfolge in der Sache. Wir haben uns in der Frage der Eurobonds durchgesetzt — die kommen nicht. Wir werden den Etat konsolidieren und für eine Entlastung geringerer Einkommen sorgen. Als Gesundheitsminister habe ich ein Gesetz gegen den drohenden Ärztemangel vorgelegt.
Und sind immer noch unter fünf Prozent. Sie haben den Chef ausgetauscht und Minister ausgetauscht. Wann wirkt die Medizin?
Bahr: Wir werden uns verlorengegangenes Vertrauen zurückerarbeiten. Das braucht seine Zeit. Aber ich bin Marathonläufer und habe keine Angst vor langen Strecken.
Für die hat man in der Politik selten genügend Zeit.
Bahr: Entscheidend ist für uns die Bundestagswahl 2013. Die Bürger werden erkennen, dass nur die FDP auf das Geld der Bürger achtet. Eine wichtige Wegmarke dahin ist die Landtagswahl in Schleswig-Holstein im Mai 2012.
Sie haben mit der Union nur eine Koalitionsoption. Muss die FDP sich nicht öffnen?
Bahr: Wir leben in keiner Ehe mit der Union. Aber aktuell ist die Schnittmenge mit der CDU am größten. Wir entscheiden erst vor Wahlen, mit wem wir am besten liberale Politik machen können. Es gibt auch Gemeinsamkeiten mit SPD und Grünen. Ob es für Koalitionen reicht, muss vor Ort entschieden werden.
Eine Ampel hätten Sie in NRW haben können.
Bahr: Nein. SPD und Grüne sind uns in den Sondierungsgesprächen im vergangenen Jahr leider nicht entgegengekommen. Uns war die Schnittmenge zu klein.
Das sieht die CDU aber ganz anders. Sie hat nun zusammen mit Rot-Grün den Schulfrieden ausgerufen und trägt den Umbau der Schullandschaft mit.
Bahr: Die CDU hat hier rasant ihre Überzeugungen geräumt. Jetzt muss der Gesetzentwurf konkret zeigen: Wie viel Gemeinschaftsschule steckt in der neuen Sekundarschule? Bislang sind unsere Bedenken nicht ausgeräumt. Wird die neue Schule finanziell bevorzugt? Gefährdet sie die anderen Schulformen, gerade die Gymnasien? Was ist angesichts des Flickenteppichs eigentlich, wenn eine Familie umzieht, am neuen Ort aber die alte Schule nicht mehr da ist? Wir sehen in den bislang bekannten Eckpunkten Gefahren für die Schulvielfalt.
Aber die FDP bleibt außen vor?
Bahr: Für uns sind die richtigen Inhalte entscheidend. Wir müssen uns nicht anbiedern.
Sie plädieren für eine Reform der Pflegeversicherung. Wie soll die aussehen?
Bahr: Wir erarbeiten gerade die Eckpunkte, die im September im Kabinett beschlossen werden. Ich kann noch keine Details nennen. Aber wir müssen die Pflege zukunftsfest machen. Die Gesellschaft wird immer älter, das derzeitige System reicht nicht aus.
Sie setzen auf eine private Zusatzversicherung?
Bahr: Noch einmal: Details nenne ich noch nicht. Aber richtig ist natürlich, dass die Altersvorsorge neben der staatlichen Rente durch private Eigenvorsorge stabiler geworden ist.
Eine ganze Reihe von Krankenkassen haben finanzielle Probleme. Ist das ein Effekt des Wettbewerbs oder Vorbote für eine tiefe Krise des Kassensystems?
Bahr: Wir wollen den Wettbewerb. Er garantiert bessere Leistungen für die Versicherten und eine viel größere Transparenz. Auf Dauer werden vielleicht nicht alle 150 gesetzlichen Krankenkassen überbleiben. Ich kann aber sagen: Jeder Versicherte hat das Recht auf eine neue Kasse, sollte seine alte verschwinden. Wenn neue Kassen sich weigern und den Versicherten zu Unrecht abweisen, habe ich durchgesetzt, dass die Vorstände in solchen Fällen mit drakonischen Strafen von 50 000 Euro pro Fall rechnen müssen.