Datenschützer warnen vor totaler Video-Überwachung

Video-Überwachung gibt vielen Bürgern ein Sicherheitsgefühl. Eine Illusion, meint der Datenschutzbeauftragte von NRW. Mega-Überwachung wie in London? Alle Weihnachtsmärkte beobachten? Inakteptabel, sagt der Datenschützer.

Düsseldorf . Der versuchte Bombenanschlag in Bonn ist aus Sicht des nordrhein-westfälischen Datenschutzbeauftragten Ulrich Lepper kein Anlass für eine flächendeckende Video-Überwachung. „Ich warne davor“, sagte Lepper am Montag der Nachrichtenagentur dpa in Düsseldorf.

Eine abstrakte Gefährdung könne nicht zum Anlass erhoben werden für eine flächendeckende Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. „Dann muss man den ganzen öffentlichen Raum zuhängen mit Kameras. Wir haben aber das Menschenbild im Grundgesetz, dass wir uns im öffentlichen Raum frei bewegen können und nicht überwacht werden - egal, durch wen.“

Der Nutzen von Video-Überwachung müsse realistisch betrachtet werden, betonte Lepper. „Video-Überwachung wird oft als Allheilmittel gesehen. Es nützt aber nichts, wenn ein Monitor da steht und nicht gewährleistet ist, dass Sicherheitskräfte sofort einschreiten, falls etwas passiert.“ Möglicherweise erleichtere eine Video-Aufzeichnung die Aufklärung. Es müsse aber sehr sorgfältig im Einzelfall geprüft werden, ob das Risikopotenzial so hoch sei, dass es solche Maßnahmen rechtfertige.

Die Gefährdungslage sei nicht so konkret, dass etwa alle Flughäfen, Bahnhöfe oder Weihnachtsmärkte in Deutschland überwacht werden müssten, sagte Lepper. „Eine flächendeckende Vorratsdatenspeicherung ist aus Sicht des Datenschutzes keinesfalls zu akzeptieren.“ Eine so umfassende Video-Überwachung wie etwa in London könne für Deutschland nicht infrage kommen.

Die rechtlichen Voraussetzungen seien in unterschiedlichen Gesetzen für den privaten und - noch strenger - für den öffentlichen Bereich geregelt, erläuterte Lepper. „Im privaten Bereich hat es in den vergangenen Jahren eine deutliche Zunahme gegeben. Das ist ja heutzutage ohne nennenswerten Aufwand zu installieren.“ Entsprechend mehrten sich Beschwerden von Bürgern, die sich durch Videokameras eingeschränkt fühlten. „Im privaten Bereich haben wir eine Untersagungsbefugnis, um das Entfernen von Kameras zwangsweise anzuordnen.“

Wie viele Kameras insgesamt in Innenstädten, auf Bahnhöfen und in Kaufhäusern installiert seien, lasse sich nicht quantifizieren. „Da führen wir keine Übersicht.“ Die Polizei überwache in NRW nur noch Brennpunkte in der Düsseldorfer Altstadt und in Mönchengladbach, berichtete der Landesbeauftragte. In Mönchengladbach halfen die Kameras in diesem Jahr bei der Aufklärung einer Massenschlägerei zwischen Hells Angels und Bandidos.

„Auch Video-Überwachung als polizeiliche Maßnahme ist zeitlich befristet“, erläuterte Lepper. Nach einigen Jahren müsse dargelegt werden, ob der Einsatz gerechtfertigt sei. Überwachungen in Aachen, Bielefeld und Coesfeld seien daher aufgegeben worden. Auch die Speicherung von Videos müsse auf das absolut Notwendige begrenzt bleiben. „Solange sie für die Aufklärung von Straftaten von Bedeutung sind, dürfen sie gespeichert sein, danach sind sie sofort zu löschen.“