Die Grünen: Wettkampf mit Samthandschuhen
Volker Ratzmann und Cem Özdemir bewerben sich um das Amt des Bundesvorsitzenden.
Düsseldorf. Die Situation ist kurios: Im Düsseldorfer Landtag sitzen zwei Konkurrenten nebeneinander, die bekunden, dass sie eigentlich gar nicht in Konkurrenz zueinander stehen wollen. Dabei darf man Volker Ratzmann und Cem Özdemir durchaus als ehrgeizige Politiker mit einem ehrgeizigen Ziel bezeichnen: Beide kandidieren auf dem Bundesparteitag der Grünen im November für das Amt des Bundesvorsitzenden. Auf ihrer ersten gemeinsamen Pressekonferenz betonen sie aber vor allem ihre Gemeinsamkeiten.
Gemeinsam werden der Europaabgeordnete Özdemir und der Chef der Berliner Grünen-Fraktion Ratzmann in den kommenden Monaten durch die Landesverbände ziehen, um sich vorzustellen. Öffentliche Streitgespräche, so betonten sie, soll es nicht geben. Auch überschütten sich beide gegenseitig mit Komplimenten.
Auf die Spitze treibt es Ratzmann: Er ist derjenige, der in Düsseldorf als erster auf eine Journalistenfrage nach der Flugaffäre antwortet, die 2002 zu Özdemirs Rückzug aus dem Bundestag führte. Das Thema spiele in der Partei keine Rolle mehr, nimmt er den Mitbewerber in Schutz, noch bevor dieser den Mund aufmachen kann.
Die Politiker, die sich seit 2002 persönlich kennen, wollen offenbar vermeiden, dass die Partei ähnlich wie die Demokraten in den USA durch einen kontroversen internen Wahlkampf geschwächt wird. Aber heißt fairer Umgang den Ausschluss aller Konflikte? Und wie sollen sich die Grünen zwischen beiden entscheiden?
"Wir unterscheiden uns durch unsere Biografie und unsere Art, Politik zu machen", sagt Özdemir. Inhaltlich gibt es tatsächlich kaum Differenzen - als Bewerber um die Nachfolge von Reinhard Bütikofer gehören beide dem Realolager an, das sich heute Reformerflügel nennt. Für den linken Flügel tritt erneut Claudia Roth an.
Beide betonen die Notwendigkeit weiterer Reformen in Deutschland, beide lehnen eine Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene 2009 ab, beide sind für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr.
Manche wollen einen Vorteil auf der Seite von Özdemir sehen. Der 42-Jährige ist bundesweit bekannt, seitdem er 1994 als erster Abgeordneter türkischer Herkunft in den Bundestag gewählt wurde.
Özdemir, der sich selbst auch gern einen "anatolischen Schwaben" nennt, machte sich als innenpolitischer Sprecher der Fraktion einen Namen, er ist telegen, Parteifreunde schwärmen von seiner "Weltläufigkeit". Nachdem er 2002 einräumen musste, dienstlich erworbene Bonus-Meilen privat genutzt zu haben, zog er sich aus der Politik zurück. Auf Europaebene gelang ihm dann aber ein Comeback.
Volker Ratzmann dagegen ist außerhalb Berlins kaum bekannt. Dass sich die designierte Grünen-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Renate Künast, für den 48-Jährigen aussprach, muss ihm nicht unbedingt nützen. Eine solche Förderung kommt vielmehr bei einigen Grünen nicht gut an: Man habe sich schon daran gestört, "dass eine noch nicht einmal gewählte Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl sich ihren Kandidaten selber aussucht", ätzte Antje Hermenau, die sächsische Grünen-Fraktionschefin.
Dennoch, das Rennen darf als offen gelten. Die Grünen haben die Qual der Wahl. Sie werden in nächster Zeit auf Zwischentöne achten müssen.