Die Pkw-Maut und die Angst vor dem Verkehrskollaps
Im Raum Aachen fürchten viele Anwohner noch mehr Ausweichverkehr. Zugleich drohen den Autofahrern zusätzliche Kosten.
Übach-Palenberg/Düsseldorf. Zwei 25-Tonner donnern hintereinander entlang, ein dritter schwerer Lkw kommt ihnen entgegen: ein alltägliches Bild auf der Heerlener Straße, die mitten durch den kleinen Ortsteil Scherpenseel in Übach-Palenberg führt. Die Stadt liegt nahe Aachen, direkt an der Grenze zu den Niederlanden. „Ab 5 Uhr morgens geht das los“, berichtet Anwohner Hans-Dieter Harren. „Das ist die kürzeste Verbindung ins niederländische Heerlen“, sagt er. Sonst müssten die Fahrer einen zehn Kilometer langen Umweg fahren.
„Wenn ich für jeden vorbeigefahrenen Laster einen Cent bekommen hätte, wäre ich jetzt Millionär“, meint Francesco Boccuti. Der Italiener betreibt seit sieben Jahren eine kleine Pizzeria an der Straße. Falls jetzt auch noch die Pkw-Maut eingeführt werde, befürchtet er, würde es noch voller.
Das kann Jos Vrolings nur bestätigen. Der Niederländer aus Heerlen fährt mindestens zweimal in der Woche zum Einkaufen oder Tanken nach Deutschland. „Wenn es künftig eine Maut gibt, werden alle nur noch die Landstraßen nutzen“, ist sich der pensionierte Lehrer sicher. Auch der Erste Beigeordnete der Stadt weiß um das Problem. „Das ist die am meisten belastete Straße des Ortes“, sagt Helmut Mainz. Und seit der Lkw-Maut sei es noch schlimmer geworden — weil Lastwagenfahrer die Autobahn umfahren, um Mautstationen zu umgehen.
Die drohende Zunahme des Ausweichverkehrs im Grenzgebiet ist ein Grund, warum die von der CSU forcierte Pkw-Maut in NRW auf breiten Widerstand stößt. Das betrifft nicht nur den Raum Aachen — auch an der niederrheinischen Grenze zu den Niederlanden droht mehr Verkehr auf umliegenden Land- und Kommunalstraßen. Zugleich gibt es die Befürchtung, dass die Nachbarländer Belgien, Niederlande und Luxemburg mit einer Maut nachziehen könnten.
Während die Bayern sich ärgern, dass sie in Österreich eine Vignette brauchen, die Nachbarn aber kostenlos ihre Autobahnen nutzen, drohen NRW-Bürgern dann zusätzliche Kosten. Davor warnte im vergangenen Jahr auch der Chef der NRW-CDU, Armin Laschet — selbst Aachener.
NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) sagte unserer Zeitung zur geplanten Maut: „Die Konsequenz einer solchen Maut wäre, dass die Deutschen auf dem Weg zur holländischen oder belgischen Nordseeküste zur Kasse gebeten würden.“
In Scherpenseel hoffen die Anwohner derweil auf eine Umgehungsstraße. Ob und wann diese gebaut wird, ist noch unklar. Die Finanzierung ist noch nicht geklärt.