Finanzen: Faruk Sen steht am Pranger

Im Essener Zentrum fürTürkeistudien sind den Prüfern dubiose Spesenabrechnungen und ein Luxus-Rentenvertrag aufgefallen.

Düsseldorf. Es war lange Jahre so etwas wie das integrationspolitische Aushängeschild der NRW-Landesregierung: Das Zentrum für Türkeistudien in Essen hatte bundesweiten Ruf. Es ist untrennbar mit dem Namen von Faruk Sen, seinem Gründungsdirektor, verbunden. Sen ist seit 1985 Chef der Einrichtung, sah sich immer als Berater der jeweiligen Ministerpräsidenten, war bestens vernetzt in der Politik, war stets in den Medien präsent und monopolisierte lange Zeit die Stelle als oberster Türke im Land. Die landespolitische Veränderungen, aber auch interne Entwicklungen in den türkischen Verbänden haben das verändert.

Jetzt weht Sen ganz rauer Wind entgegen: Der Landesrechnungshof hat das Zentrum für Türkeistudien und damit sein Lebenswerk ins Visier genommen und kommt zu erstaunlichen Befunden.

Die Liste der Beanstandungen ist umfangreich. Einige Auszüge aus den 21 Seiten, die unserer Zeitung vorliegen: So soll es eine ganze Reihe dubioser Spendenabrechungen gegeben haben. Am 24. April 2001 wurde "ohne Angabe des Bewirtungsanlasses" ein Essen für 16 Personen gegeben, bei dem "42 Menüs, 32 Flaschen Wasser, zwölf Flaschen Wein, sieben Pils, vier Jack Daniels, Campari, Barcadi, Ramazotti, Prosecco und weitere alkoholische Getränke" konsumiert wurden. Die Rechnung betrug 2824 Euro und wurde in einem Projekt des Zentrums verbucht.

Dem Projekt Nummer 5 wurde laut Landesrechnungshof wiederum ein deutsch-türkisches Symposium des Zentrums zugerechnet, bei dem der Robinson Club Partner war und das im schönen türkischen Ferienort Belek stattfand. Kostenpunkt: 5987Euro. Zwischen 1998 und 2005 beliefen sich die Gesamtspesen auf 1,268Millionen Euro, haben die Prüfer errechnet.

Die Projekte hatten einen Gesamtfinanzrahmen von 5,6 Millionen Euro und wurden vom Land bezahlt.

Die Prüfer stoßen sich auch an den Vertragsbedingungen, die Sen damals noch unter der rot-grünen Landesregierung ausgehandelt hat. Im Jahr 2001 erhielt Sen laut Rechnungshof einen bis zum Jahr 1991 rückwirkenden unbefristeten Vertrag, der ihm 13Monatsgehäler à 8180,70 Euro sicherte. 2003 wurde auch Sens Versorgungsfrage gelöst: Ihm wurde über das Zentrum eine Lebensversicherung vertraglich zugestanden, die über zehn Jahre 835000 Euro kostet und Sen (59 Jahre) ab dem 65. Lebensjahr eine Jahresrente von 60000 Euro zusichert - für einen Normalarbeitnehmer ein völlig utopischer Wert.

Es geht um nichts weniger als um den guten Ruf einer Einrichtung, die ihre Existenzberechtigung vor allem moralisch begündet hat: Das Essener Zentrum für Türkeistudien und vor allem sein Direktor Faruk Sen stehen für Integration, für kritische Partnerschaft. Immer war klar, dass das Land der Hauptfinanzier des Zentrums war - das war politisch so gewollt und nicht strittig. Klar war aber auch, dass sich Sen und seine Mitstreiter an die Regeln halten müssen, die für den Umgang mit Steuergeldern gelten. Nun liegen massive Vorwürfe auf dem Tisch - erhoben von den unbestechlichen Beamten des Landesrechnungshofes. Sen sagt schnelle Aufklärung zu. Die Geschwindigkeit ist dabei nicht wichtig, es kommt auf die Gründlichkeit an. Bleibt auch nur etwas haften, muss Sen gehen. So sind nun mal die Regeln.