Gymnasien haben sich mit dem Turboabitur arrangiert

Schulen sehen den rot-grünen Reformrückzieher skeptisch – kaum eine will zu G9 zurück.

Düsseldorf. Sie klagten über die hohe Belastung, über veraltete Lehrpläne und überforderte Schüler - doch zurück zu G9 will im Prinzip kaum ein Gymnasium mehr. Ende August machten SPD und Grüne in Nordrhein-Westfalen eine weitere Schulreform der schwarz-gelben Vorgängerregierung rückgängig.

Jetzt können sich die 630 Gymnasien bis zum Frühjahr einmalig entscheiden, ob sie ab dem Schuljahr 2011/2012 zur neunjährigen Schulzeit zurückkehren oder das achtjährige Turboabi beibehalten wollen.

Aber die Schulen scheinen sich mit G8 arrangiert zu haben: In Remscheid werden alle vier Gymnasien weiter aufs Turboabitur setzen, ebenso werden in Düsseldorf alle städtischen und konfessionellen Gymnasien künftig nur den verkürzten Weg zum Abitur anbieten. "Um Gottes Willen jetzt nichts ändern", fordert auch Werner Schumacher-Conrad, Leiter des Velberter Nikolaus-Ehlen Gymnasiums.

In Wuppertal und Wermelskirchen ist noch keine Entscheidung gefallen. "Ich gehe aber insgesamt davon aus, dass die Zahl derer, die zu G9 zurückkehren, sehr überschaubar sein wird", sagt Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbandes NRW.

Sein Eindruck: Gymnasien, die ernsthaft über eine Rückkehr zu G9 nachdenken, gehe es oft um die Existenz: "Das sind meist Schulen, die so die Schülerzahlen stabilisieren wollen."

So bedeute die Einführung des G9-Bildungsganges nicht, dass auch die Stundenzahl in der Sekundarstufe I sinkt. Vielmehr - darauf weist auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hin - gelte weiterhin die erhöhte Stundenzahl, die auch das im Schulgesetz verankerte Recht auf individuelle Förderung gewährleisten soll.

"Die Ganztagsbetreuung müssen die Schulen trotzdem aufbauen. Wer jetzt zu G9 zurückkehrt, muss vielleicht über Jahre einen erheblichen Mehraufwand leisten", sagt Philologenchef Silbernagel. Hinzu komme, dass der Versuch wissenschaftlich begleitet wird und nicht absehbar ist, ob das Modell nach Ende der Erprobungsphase beibehalten werden kann.

"Die Schulen wissen nicht, wie das Versuchsstadium zu bewerten ist, sie sind das Hin und Her leid", ist auch der Eindruck von Dorothea Schäfer, stellvertretende Landesvorsitzende der GEW.

Und die Eltern? In Remscheid fielen Abstimmungen in der Schulkonferenz, in der Vertreter der Eltern, Lehrer und Schüler sitzen, fast allesamt einstimmig gegen G9 aus. "Der Schulversuch bringt eine unheimliche Unruhe", findet auch Eberhard Kwiatkowski, Vorsitzender der Landeselternkonferenz. "Uns wären neue Gesamtschulplätze lieber."