Halbzeitbilanz von Schwarz-Gelb Laschet im Maschinenraum

Düsseldorf · Die Halbzeitbilanz aus Sicht des Ministerpräsidenten: viel geschafft, viel zu tun, für Kanzlerfantasien keine Zeit.

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) zieht Halbzeitbilanz – aber nur der Legislaturperiode. „Weil wir noch länger vorhaben zu regieren.“

Foto: dpa/Oliver Berg

Armin Laschets Hand, immer wieder diese rechte Hand. Mal zerteilt sie die Halbzeitbilanz des CDU-Ministerpräsidenten handkantenscharf in verdauliche Themenblöcke und deutet mit einer auslaufenden Wellenbewegung an, dass da aber doch noch so viel mehr dranhängt. Mal fügen sich ihre fünf Finger zu einer Art Schattenhuhn zusammen, das sich die Rosinen herauspickt, auf die es jetzt wirklich ankommt.

Dazu gesellt sich eine beeindruckende Variabilität der Mimik: die Falte zwischen den Augenbrauen, die signalisiert, dass es ihm nun ernst ist; Anflüge von Ungeduld, weil es doch noch so viel zu tun gibt; ein Hauch Herablassung, um Sticheleien abzuwehren; sein vertrautes spitzbübisches Lachen, das noch jedes Eis zum Schmelzen bringt.

Laschet spielt auf dieser Klaviatur der Sekundeninszenierung und er beherrscht sie souverän. Was ihm seine Ministerien an Erfolgsbilanzen vorgefertigt haben, präsentiert er, als würde er selbst gerade im Moment noch darüber staunen, was schon alles geleistet worden ist. Es wurde beruhigt, versöhnt, entfesselt, auf Qualität gesetzt: in der Bildungspolitik, in der Wirtschaftspolitik, in der Innenpolitik, in der Umweltpolitik. Ach, wohin man guckt.

So viel demonstrative Freude am Regieren in NRW

Als er nach gut 20 Minuten fertig ist, sagt er süffisant: „Sie sehen an diesem Potenzial, das ich noch stundenlang fortsetzen könnte, wie viel Freude das Regieren in Nordrhein-Westfalen machen kann.“ Und damit das Ganze nicht zu satt selbstzufrieden wirkt, hatte er dem gesamten Vortrag vorausgeschickt: „Das ist nur die Halbzeitbilanz der Legislaturperiode, das ist nicht unsere Halbzeitbilanz – weil wir noch länger vorhaben zu regieren“.

Sein Stellvertreter, Familienminister Joachim Stamp (FDP), assistiert ihm mit dem markigen Satz: „Wir sind mittendrin im Maschinenraum.“ In dem nach seiner Darstellung anders als bei den Vorgängern oder auch der Groko in Berlin ein „professioneller und immer fairer Umgang miteinander“ gepflegt wird. Wie das in Maschinenräumen so üblich ist. Zumal, wenn die drei FDP-Ministerien dort unten, wo der Laden am Laufen gehalten wird, „zu den Leistungsträgern zählen“.

Stamp bleibt an diesem Tag der selbst gewählten Doppelspur treu: hart auf der einen Seite, integrativ auf der anderen. Für den Bundesrat kündigt er nach der Winterpause einen Gesetzentwurf für für schärfere Strafen bei Kindesmissbrauch an. „Es kann nicht sein, dass jemand, der den sexuellen Missbrauch einer Zehnjährigen bestellt, mit einer Bewährungsstrafe davonkommt.“ In der Flüchtlingspolitik bescheinigt ihm Laschet: „Man kann es kaum besser machen.“ Jede konsequente Rückführung entlaste das Flüchtlingsaufnahmegesetz, jede Überführung in ein Arbeitsverhältnis auch.

Danach hat Laschet einen gut. Es dauert eine Stunde und 20 Minuten, ehe sie dann doch kommt, die Frage nach seinen Kanzlerambitionen, über Bande gespielt an seinen Stellvertreter. Wie groß er die Wahrscheinlichkeit einschätze, dass Laschet auch am Ende der Legislaturperiode noch neben ihm sitze? „Wer eine erfolgreiche Regierung mit Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen führen kann, der kann das auch im Bund“, schmeichelt Stamp seinem Nachbarn. Und Laschet kontert die Frage, ob ihn das Kanzlerthema unter Druck setze, mit einem schlichten „Nö“. „Nö“, das hatte er wenige Minuten zuvor auch schon mal geantwortet, als er sagen sollte, ob er rückblickend etwas anders, also besser machen würde. Nö. Warum auch? „Der Opposition fällt doch auch nichts ein.“

Grüne und SPD haben sich schon an ihm abgearbeitet

Das ist nun doch ein bisschen untertrieben. Immerhin haben sich Grüne und SPD schon eine Woche zuvor an ihm abgearbeitet, ihm vorgehalten, eher zu präsidieren als zu regieren (Monika Düker), und ihm vorausgesagt, es nicht zum Kanzlerkandidaten der CDU zu bringen (Thomas Kutschaty). Für den Buffet-statt-Büro-Vorwurf greift Laschet wieder auf seine leicht herablassenden Gesichtszüge zurück. Die haben doch nicht die geringste Ahnung, soll das signalisieren. „Ich habe eher abgenommen in der Zeit“, sagt er. Und nuschelt noch verächtlich was von „Banalitäten“ hinterher.

Zur Kanzlerkandidatur versucht er glaubhaft zu machen: „Sie beschäftigt mich gar nicht konkret in meinem Lebensalltag.“ Dafür gebe es einfach zu viel zu tun. Maschinenraum eben. Gut, da steht jetzt der CDU-Parteitag an. Aber der werde „normal“, ohne Schaukämpfe über die Bühne gehen. „Die Lage ist zu ernst.“ Ja, Friedrich Merz hat er am Montag zum 64. Geburtstag gratuliert. Weitere Gratulationen sind von ihm in diese Richtung nicht zu erwarten. Der Rest ist spitzbübisches Lachen.

Am Ende, als die Journalisten schon nach draußen strömen, wird fast beiläufig noch eine 90-seitige Broschüre verteilt. „Arbeitsbericht“ ist sie überschrieben, nicht „Halbzeitbilanz“. Am Nachmittag zum Beispiel kommt Bum Goo Jong, der Botschafter der Republik Korea, zum Antrittsbesuch nach Düsseldorf. „Südkorea und Deutschland teilen die Erfahrung eines geteilten Landes“, lässt Laschet sich zitieren. Das kann ein Ministerpräsident sagen. Das könnte auch ein Kanzler sagen. Und dabei die rechte Hand mitsprechen lassen.