Handwerkskammer-Chef: EU-Pläne gefährden den Mittelstand

Der Verwaltungschef der Handwerkskammer Düsseldorf, Thomas Köster, kritisiert EU-Finanzpläne.

Düsseldorf. Der deutschen Kultur der Solidität und damit auch Handwerk und Mittelstand insgesamt droht Ungemach von der EU, fürchtet Thomas Köster, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Düsseldorf. Mit ihren rund 56 000 Mitgliedsbetrieben ist sie eine der größten Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft in Deutschland.

Herr Köster, welche politischen Gefahren aus Brüssel sehen Sie?

Köster: Die EU unterminiert derzeit zwei wichtige Pfeiler der Soliditäts-Strukturen unseres Landes: Das Berufsbildungswesen und die mittelstandsorientierte Finanzierungskultur in unserem Land.

Aber die EU fordert doch mehr Bildungsangebote?

Köster: Der Rat der EU befürwortet einen Hochschulpakt und Graduiertenschulen, also einen rein akademischen Weg. Gleichzeitig aber ignoriert er die berufliche Bildung. Das aber wird der Wirklichkeit nicht gerecht. Die Jugendarbeitslosigkeit, Hauptparameter für gesellschaftliche Instabilität, liegt in Deutschland bei neun Prozent. In Großbritannien liegt sie bei 20 Prozent, in Frankreich bei 23 und in Spanien bei mehr als 40 Prozent — alles Staaten, in denen mehr Studenten einen Abschluss machen als in Deutschland. Aber dort gibt es keine unserem dualen System vergleichbare Berufsausbildung. Unsere niedrige Jugendarbeitslosigkeit ist ohne das von Unternehmen und Staat gemeinsam gestaltete duale Bildungssystem nicht denkbar.

Sie sehen das Handwerk durch die EU-Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzkrise gefährdet?

Köster: Das geplante Basel-III-Regelwerk für Banken soll künftige Finanzkrisen verhindern, indem den Banken eine höhere Eigenkapitalquote verordnet wird. Das ist im Prinzip auch richtig. Aber dabei darf man die risikoreichen Investmentbanken nicht über einen Leisten schlagen mit den Genossenschaftsbanken und Sparkassen, die die Investitionen beim Gros der mittelständischen Unternehmen finanzieren — das sind 70 Prozent aller Unternehmen. Denn sonst geraten gerade kleine und mittlere Firmen in eine existenzbedrohende Kreditklemme.

Welche Folgen hätte eine solche Kreditklemme bei den Handwerksfirmen?

Köster: Handwerksunternehmen benötigen ständig Kredite, um ihre Betriebsmittel finanzieren zu können: Verwendete Baumaterialien etwa werden von den Betrieben meist über Kredit vorfinanziert und erst später von den Kunden bezahlt. Kommt Basel III in seiner jetzigen Gestalt, dann erhöhen sich die Zinssätze für diese Kredite um 15 bis 25 Prozent. Wenn das für die Unternehmen nicht mehr finanzierbar ist — oder wenn es keine Mittelstandskredite mehr gibt —, ist die Existenz der Firmen massiv gefährdet.

Herr Köster, am 1. Dezember treten Sie in den Ruhestand. Ein Abschied vom Handwerk und eine Konzentration aufs Privatleben?

Köster: (lacht) Nein, eher nicht! Der Job als Vorstandsvorsitzender in meiner Familie ist ja bereits besetzt — von meiner Frau. Spaß beiseite: Gemeinsam mit unserem Präsidenten Wolfgang Schulhoff werde ich mich weiterhin als Leiter unseres „Kompetenzzentrum Soziale Marktwirtschaft“ engagieren — das ist sozusagen die Denk-Werkstatt des Handwerks.