Geburten Jedes dritte Kind per Kaiserschnitt geboren

NRW liegt über dem Bundesdurchschnitt und weit über der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation.

Eine Hebamme untersucht am 24.06.2015 im Geburtshaus den Bauch einer werdenden Mutter.

Foto: Thorsten Helmerichs

Düsseldorf. 10 bis 15 Prozent der Kinder sollten per Kaiserschnitt zur Welt gebracht werden. Das empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation. Doch in Deutschland kommt es viel häufiger als in den medizinisch indizierten Fällen zur Geburt durch Operation. 2014 waren es deutschlandweit 31,8 Prozent der Geburten, NRW liegt sogar noch darüber. Erfolgten hier im Jahr 2000 noch 22,5 Prozent der knapp 171 000 Geburten per Kaiserschnitt, stieg die Rate 2014 bei den gut 151 000 Geburten auf 32,8 Prozent.

Um der Sache auf den Grund zu gehen, hatte die Landesregierung Ende 2013 einen „Runden Tisch Geburtshilfe“ eingesetzt. Beteiligt waren unter anderem Hebammen- und Gynäkologenverbände, Kliniken und Krankenversicherungen. am Montag den Abschlussbericht dieses Expertengremiums vor.

Für das Ansteigen der Kaiserschnittgeburten machen die Experten verschiedene mögliche Ursachen aus: Neben einer offenbar steigenden Angst vor den Belastungen einer vaginalen Geburt spielen auch finanzielle Fragen und Haftungsrisiken eine Rolle. So kostet eine vaginale Geburt, bei der ein ärztlicher Mitarbeiter und eine Hebamme dabei sind, laut Hebammenverband zwischen 1272 und 1790 Euro. Beim Kaiserschnitt, bei dem drei Ärzte, ein Anästhesist und eine Hebamme involviert sind, liegen die Kosten zwischen 2371 und 4992 Euro.

Das System schafft kaum Anreize für eine Trendwende. So berichtete Nicola Bauer, Professorin für Hebammenwissenschaft, vom Fall einer Klinik in Coesfeld, die die Kaiserschnittrate zwar auf 19 Prozent absenken konnte. Doch dann mit einer halbe Million Euro weniger Einnahmen klarkommen musste.

Auf der anderen Seite ist da das Haftungsrisiko, das in dem Bericht verschwurbelt so formuliert wird: „Die Geburtshilfe wird aus forensischen Gründen immer defensiver.“ Übersetzt: Droht die Gefahr, dass bei der Geburt etwas schief geht, könnte später ein Gutachter im Haftungsprozess monieren, warum nicht von vornherein ein Kaiserschnitt gemacht wurde.“ Die Schadensersatz- und Schmerzensgeldfolgen, wenn ein Kind nach einem Kunstfehler schwerbehindert geboren wird, können mehrere Millionen Euro betragen. Folge: Die Haftpflichtprämie für Hebammen, die selbstständig Geburtshilfe machen, erhöhte sich eben erst um 23 Prozent auf 6247 Euro im Jahr. 2017 sollen es schon 7639 Euro sein. Dass das nicht nur ein Problem der Hebammen, sondern auch eines der Kliniken ist, die für Arztfehler haften, darauf machte Gesundheitsministerin Steffens aufmerksam. „Der Bund steht in der Verantwortung, das Problem endlich zu lösen.“