Jürgen Möllemann: Nur ein Unfall oder Selbstmord?
Ein nun veröffentlichtes Video nährt Spekulationen um den Tod des höchst umstrittenen früheren FDP-Politikers.
Münster. Knapp vier Jahre nach dem tödlichen Fallschirmabsturz des früheren FDP-Politikers Jürgen W. Möllemann am 5. Juni 2003 sorgt ein weiteres Amateur-Video für Aufregung. Die "Bild"-Zeitung berichtete erstmals über die Aufnahmen, von denen bisher nur bekannt war, dass sie Teil der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft waren.
Laut "Bild" lässt das Video nur einen Schluss zu: "Es muss Selbstmord gewesen sein." Die Staatsanwaltschaft selbst hatte bei Abschluss der Ermittlungen im Juli 2003 offen gelassen, ob Möllemann durch einen Unfall oder Selbstmord ums Leben kam.
Aus dem Video eines Team-Gefährten ergeben sich laut "Bild" jedoch "klare Hinweise", dass Möllemann sich selbst das Leben nahm. Die Schlüsselszene dafür ist die Reaktion von Möllemanns Fallschirmspringer-Kameraden am Schluss des Videos.
Zu sehen ist der Rucksack des Toten mit dem nicht aktivierten Notsystem, das automatisch den Reserve-Fallschirm ausgelöst hätte. Die Kameraden Möllemanns diskutieren darüber, dass der FDP-Politiker vor dem Einsteigen in die Maschine auf dem Sportflugplatz Marl/Lohmühle die gegenseitige Kontrolle dieses Notsystems ausgelassen habe, als er noch ein Glas Wasser trinken gegangen sei.
Die Staatsanwaltschaft Essen sah dagegen gestern keine neuen Erkenntnisse. Das Video sei bereits im Ermittlungsverfahren zum Tod Möllemanns ausgewertet worden, sagte der Essener Staatsanwalt Hans-Christian Gutjahr der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Für uns ergeben sich daraus keine neuen Erkenntnisse", sagte Gutjahr. "Man kann nicht ausschließen, dass es Selbstmord war, man kann es aber auch nicht sicher sagen." Hinweise auf eine Manipulation durch Dritte hatten die Ermittler damals nicht gefunden.
Die Veröffentlichung des Videos wird vermutlich ein gerichtliches Nachspiel haben. Der Amateurfilmer prüft nach Informationen von "Spiegel Online" rechtliche Schritte. "Ich habe dieses Video nicht freigegeben und habe niemandem die Erlaubnis zur Veröffentlichung gegeben", sagte Dave Littlewood vom Verein für Fallschirmsport in Marl.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft blieb das Video nach Einstellung des Verfahrens im Juli 2003 zunächst bei der Behörde. Anfang 2006 wurde es dem damals eingeschalteten Sachverständigen zu Ausbildungs- und Schulungszwecken ausgehändigt. Eine Kopie des Videos wurde dem Eigentümer übergeben. Weitere Kopien liegen den Angaben zufolge bei der Staatsanwaltschaft Essen nicht vor.
Kurz vor seinem Todessprung hatte der Bundestag in Berlin die Immunität des früheren FDP-Spitzenpolitikers als Abgeordneter aufgehoben. Danach hatten Beamte der Staatsanwaltschaft und der Steuerfahndung die Wohnräume Möllemanns in Münster durchsucht. Gegen Möllemann, der Mitte März 2003 aus der FDP ausgetreten war, liefen im Zusammenhang mit einer Parteispendenaffäre verschiedene Ermittlungsverfahren der Münsteraner und Düsseldorfer Staatsanwaltschaft.
Jürgen Wilhelm Möllemann, geboren 1945 in Augsburg, war von 1987 bis 1991 Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, von 1991 bis 1993 Bundeswirtschaftsminister und von 1992 bis 1993 auch Vizekanzler. Vom Mai 2001 bis September 2002 war er Vize-FDP-Chef. Bei der NRW-Landtagswahl 2000 gelang der FDP unter Möllemanns Führung mit einem Ergebnis von 9,8 Prozent der Wiedereinzug in den Landtag.