Klimaschutz: Rheinberg will Hauptstadt der Energiesparer werden
Wer beim Heizen kräftig spart, muss trotzdem keine kalten Füße bekommen.
Rheinberg. Rheinberg ist ein Ort für Idealisten. Hier fährt der städtische Energieexperte mit dem Fahrrad durch die Kommune und sucht Häuser ohne Sonnenkollektoren auf dem Dach. Hat er eins gefunden, klingelt der Mann in der Radlerhose und mit Fahrradhelm an der Tür und versucht, die Bewohner davon zu überzeugen, ihr Haus energiebewusst umzubauen. "Ich bin einer, der unermüdlich treibt", sagt Jens Harnack von sich selbst.
Das mag der Grund sein, warum in keiner Stadt Nordrhein-Westfalens sich so viele Einwohner darum bemühen, Energie einzusparen oder selbst zu erzeugen wie in Rheinberg. Landesweit wurden laut NRW-Energieagentur dorthin die meisten Plaketten für besonders energieeffiziente Häuser vom NRW-Wirtschaftsministerium vergeben: 136 von 1000 gingen an Bewohner der Stadt im Kreis Wesel.
Aber die Rheinberger wollen noch mehr erreichen: Laut Stadtratsbeschluss sollen bis 2020 zwei Drittel der 9000 Wohnhäuser so energiesparend saniert werden, dass sie kaum noch Heizkosten verursachen. Neubauten sollen ganz ohne normale Heizung auskommen. "In jeder Stadt sparen Bürger Energie, aber ein so umfassendes Projekt ist bislang einmalig", sagt der Experte der NRW-Energieagentur, Markus Feldmann. "Wenn es gelingt, so viele Hausbesitzer zu erreichen, dann geht das auf ein einmaliges Engagement der Stadt Rheinberg zurück."
In Zahlen ausgedrückt: 6000Altbauten sollen laut städtischem Klimakonzept jährlich nur noch 40 bis 60 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter an Heizenergie verbrauchen, Neubauten etwa 15 kWh. Laut NRW-Verbraucherzentrale benötigen Wohngebäude derzeit durchschnittlich etwa 200 kWh pro Quadratmeter. "Wenn wir es schaffen, zwei Drittel aller Gebäude so energieeffizient zu sanieren, sind wir die Hauptstadt der Energiesparer in Deutschland", sagt Rheinbergs Energieexperte Jens Harnack.
Aber die Herausforderung ist groß: Noch reihen sich in dem ruhigen Städtchen am Rhein nicht Dächer mit Sonnenkollektoren oder Vorgärten mit Wärmepumpen aneinander. Bis zu dem Beschluss des neuen Klimakonzeptes hat Harnack nur 350 Hausbesitzer von einem Umbau überzeugen können. Das Vorhaben der Stadtverwaltung, nun die ganze Stadt zum Umbau zu bewegen, versetzt daher Experten in Staunen. "Es ist auch eine bauliche Herausforderung", sagt die Architektin Lale Salur. Sie weiß: "Nicht bei jedem Altbau lassen sich die Umbaumaßnahmen umsetzen."
Doch die Umbauwilligen Rheinbergs haben ein Vorbild: Das 34 Jahre alte Haus der Familie Schlötels. Sie hat vor drei Jahren das renovierungsbedürftige Gebäude gekauft. Die Fenster waren undicht und die alte Heizanlage musste erneuert werden. "Statt die Technik nur auszutauschen, entschieden wir uns dafür, in energiesparende Techniken zu investieren", sagt Marcus Schlötels. Er kaufte eine Wärmepumpe, Solarkollektoren und einen Pelletofen fürs Wohnzimmer. Heute ist sein Altbau ein sogenanntes Niedrigenergiehaus. "Wir bewohnen 200 Quadratmeter und geben für Heizkosten, Strom und Wasser im Monat nur 150 Euro aus."
Die Stadt wird nun fünf Energieberater einstellen, die auf alle Wohnhausbesitzer persönlich zugehen sollen, um deren individuelles Einspar-Potenzial zu berechnen und den Umbau auf Wunsch auch zu planen. Die Baukosten nimmt die Stadt den Hausbesitzern aber nicht ab. "500bis 1500 Euro pro Quadratmeter müssen die Bewohner investieren", sagt die Architektin. Staatliche Förderinstitute wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau unterstützen solche Umbauten jedoch. Erste Umbauwillige machen schon gemeinsam mit Energieexperte Harnack Fahrradtouren zum Anwesen der Schlötels. "Alle fragen mich: Was kriegst Du dafür?" berichtet Schlötels. "Ich antworte: Nichts, denn erstmal musste ich viel Geld investieren. Aber ich wohne in einem Haus, das immer warm ist, habe coole Technik und Spaß, da ich viele Jahre lang Heizkosten spare."