Internet Land NRW kämpft gegen Hetze im Netz
Justizminister Kutschaty (SPD) droht, die Diensteanbieter stärker zu sanktionieren. Spezialisten „fahren Streife“ im Internet.
Düsseldorf. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat prägnante Zitate aus dem Internet mitgebracht. Scheußliche Worte, aneinandergereiht erfüllen sie manchen Tatbestand. „Flüchtlinge vergasen und dann verbrennen — zur Stromerzeugung.“ Oder: „Richtig so — zwei bis drei erschießen und schon kommt keiner mehr, nur so bekommt ihr sie los.“
Inzwischen ist das Alltag im Internet. Aber hinnehmbar sei das nicht, findet Jäger. „Das sind keine harmlosen Meinungsäußerungen, das ist kein Beitrag zur öffentlichen Diskussion. Das ist Hetze“, sagt er. Die Landesregierung will nun verstärkt dagegen vorgehen, Straffreiheit dürfe es nicht mehr geben für derlei Hetze: Im Landeskriminalamt gehen seit einem Monat 17 Spezialisten auf „Streife im Internet“, wie Jäger es formuliert.
Sie durchforsten einschlägige, oft rechtsradikale Foren oder soziale Medien wie Facebook, sichern Beweise — und zeigen an. Innerhalb kurzer Zeit haben sie in 105 Fällen Anzeige erstattet, 40 Täter wurden ermittelt. Zehn von ihnen stammen aus Nordrhein-Westfalen. Jäger sagt: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, in dem alles erlaubt ist.“ Seine Botschaft: „Wir werden euch kriegen.“
Neben Jäger sitzt Thomas Kutschaty (SPD). Innen- und Justizminister wollen eng kooperieren, Kutschaty nennt die Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch: 111, 130 und 185 — Volksverhetzung, öffentliche Aufrufe zu Straftaten und Beleidigung.
In Köln wird ab 2016 eine landesweit zuständige Zentralstelle für Cyberkriminalität mit fünf Staatsanwälten die Strafverfahren betreuen. Kutschaty sieht den Bedarf: „Nach den Anschlägen von Paris sind die Parolen wieder vermehrt festzustellen. Leider in der vollen Absicht, mit pauschalen Vorverurteilungen Stimmung gegen Flüchtlinge und Ausländer zu machen.“
Auch die Minister selbst seien von solch unliebsamer elektronischer Post betroffen. „Das wird gefühlt immer mehr“, sagt Jäger. Er selbst bringe jeden einzelnen Fall zur Anzeige. Die rechtsextreme Hetze zeige sich offen, oft sogar mit Klarnamen. Das Täterprofil: „Zu 90 Prozent sind das Männer, der deutschen Sprache beschränkt mächtig. Aber oft sind das auch Texte mit bürgerlichem Hintergrund.“ Jäger will das Thema auf der Innenministerkonferenz ab Donnerstag in Koblenz zur Sprache bringen.
Der Rechtsstaat brauche „eine neue Firewall“, findet Kutschaty. Die freiwillige Selbstkontrolle der Internet-Dienstanbieter funktioniere nämlich nicht. Mancher große Anbieter sei eher bestrebt, nackte Haut zu entfernen als rechtsradikale Hetze. „Man spürt eine Verweigerungshaltung bei den Anbietern“, sagt Kutschaty und meint in der Hauptsache Facebook.
Der Minister versichert: Er sei im Gespräch mit Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), schließt aber auch eine eigene Initiative nicht aus, wenn bis zum Frühjahr die Selbstkontrolle nicht funktioniere. Soll heißen: Von NRW könnte schon bald eine Gesetzesinitiative für ein schärferes Telemediengesetz mit Bußgeld- und Strafforderungen ausgehen. Bislang müssten die Unternehmen echte Sanktionen nicht fürchten.
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits im September zugesichert, dass sich sein Unternehmen um eine schärfere Kontrolle rassistischer Kommentare im Internet kümmern werde.