#cdulpt16 Landesparteitag: Die NRW-CDU und ihr amerikanischer Traum
Aachen. Armin Laschets Rede beginnt mit einem Video. In dem symbolisieren ein BMW, ein Mercedes und ein Ford Mustang GT die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und NRW im Vergleich.
Während der BMW und der Mercedes losstarten, sitzt in dem Mustang nicht einmal ein Fahrer. Dann geht ein Paar Füße in bequemen Schuhen ruhigen Schrittes auf den NRW-Mustang zu. Eine Hand legt den Fahrgang ein. Die Reifen drehen durch. Der Mustang rast an BMW und Mercedes vorbei, brettert ins Ziel und legt eine Bremsung mit quietschenden Reifen hin. Dann kommt der Fahrer ins Bild. Es ist Armin Laschet. Und er sagt: „Schluss mit dem Stillstand.“ Der Parteitag klatscht lachend und begeistert.
In diesem Moment geht ein Konzept auf. Denn natürlich erwartet niemand Armin Laschet als rabiaten Fahrer einer Rabauken-Karre. Das drückt das Lachen und Klatschen aus. Einerseits. Aber andererseits eben auch: Dass Laschet massiv an sich gearbeitet hat. Und dass die Partei es ihm abnimmt. Zum ersten Mal seit Monaten spürt die nordrhein-westfälische CDU, dass sie eine Chance hat. Mit Laschet. Und niemand ist mehr in der Stimmung für Nachtrags-Abrechnungen aus der Vergangenheit. Die NRW-CDU ist wieder da und träumt einen amerikanischen Traum.
Der Traum geht so: Dass NRW in praktisch jedem Ländervergleich außer der Einbruchstatistik auf dem letzten Platz liegt, müsse so etwas wie den „Sputnik-Schock“ auslösen, als im Oktober 1957 plötzlich ein russischer Satellit im Weltall funkte und den US-Traum von der eigenen Überlegenheit platzen ließ. Anders als die rot-grüne Landesregierung hätten die Amerikaner jedoch nicht resigniert und behauptet, daran sei der Strukturwandel schuld, sondern die Nasa gegründet. Und die Vision verfolgt, bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts einen Mann auf den Mond zu bringen.
Die Laschet-Variante der Mond-Vision lautet, NRW wieder in die Spitzengruppe der Bundesländer zu führen. Und dass die CDU das schaffen kann. Angeführt von ihm, Armin Laschet. Jeder im Saal weiß, dass diese Vision und ihre Herleitung Lücken haben. Um aus dem guten Kommunalwahl-Ergebnis von 2014 zu schließen, die CDU könne Großstadt, muss man ignorieren, Düsseldorf an die SPD verloren und in Köln nicht die Kraft für einen eigenen Kandidaten gehabt zu haben. Um Laschet den schneidigen Fahrer im Mustang abzunehmen, muss man den schusseligen Aachener Lehrbeauftragten mit den verbummelten Klausuren vergessen. Aber jeder im Saal sieht auch die Chance. Und keiner hat das Bedürfnis, die Party zu versauen.
Zumal die rot-grüne Landesregierung derzeit alles tut, um im nächsten NRW-Landtag keine Mehrheit mehr zu haben. Eines von Laschets liebsten Beispielen für alles, was im Kabinett von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft schief geht, an Prioritäten falsch oder gar gesetzt wird, ist die „Katzen-Verordnung“ vom vergangenen November. Während das ganze Land sich um die Flüchtlingskrise sorgte und eine Zeitlang niemand wusste, wie viele und welche Menschen von woher nach wohin unterwegs waren, ordnete das grüne Umweltministerium von Johannes Remmel das kommunale Zählen der Katzen an. Laschet trägt das durch launiges Zitieren aus dem saukomischen Verordnungs-Text vor. Der Vorsitzende als fröhlicher Rheinlander, so wie man ihn kennt. Der neue Armin Laschet, der an sich mit Akribie und guten Leuten um sich herum gearbeitet hat, erdet seine Leichtigkeit, indem er dem Bild Wucht und ernste Schwere verleiht: Katzen zählen können die, aber nicht den Unterrichtsausfall an den Schulen? „Die sollten lieber zählen, ob sie noch alle Tassen im Schrank haben“, rät der Mann mit dem amerikanischen Traum. Der Parteitag ist begeistert.
Armin Laschet arbeitet durchweg mit starken Bildern. Der Parteitag beginnt wie bei der CDU üblich mit einer ökumenischen Morgenbesinnung. Ein großes Kreuz steht auf der Bühne, zwei Geistliche singen und beten mit den Delegierten. Danach braucht Laschet nur noch einen Satz, um klar zu machen, wo die Grenze zwischen echten Werten und den angeblichen Abendlandsverteidigern der AfD verläuft. Jubel bricht in der Halle aus, als er dem am Vorstandstisch anwesenden Bundestagspräsident Norbert Lammert „für Deine klaren Worte an den türkischen Staatspräsidenten“ dankt. Als Lammert ihm wenige Minuten später bei der Entsorgung von Papierbergen hilft, mit denen Laschet die Regelungswut der rot-grünen Landesregierung illustriert, sagt der Vorsitzende spontan: „Du bist für alles zu gebrauchen.“ Begeisterung in der Halle. Jeder hat es verstanden. Die NRW-CDU hat einen Kandidaten für die Nachfolge von Joachim Gauck als Bundespräsident. In diesen Momenten scheint der Teil von Laschets politischem Instinkt durch, den man nicht lernen kann. Zum Ende seiner Rede — wahrscheinlich der besten, die er bisher öffentlich gehalten hat — betont Laschet, man werde im Wahlkampf niemanden persönlich attackieren und keinen Koalitions-Wahlkampf führen, sondern für sich und seine Werte streiten.
Das ist in mehrfacher Hinsicht klug, so lange niemand weiß, wie sich die schwache Form einzelner Regierungsmitglieder weiter entwickelt. Und eben auch niemand weiß, mit wie vielen Parteien man im März 2017 über eine mögliche Regierungsbildung verhandeln muss. Die Chance ist da, spürt der Parteitag. Und fürs Grobe haben sie zur Not ja Bodo Löttgen, den Generalsekretär, der vor der Laschet-Rede ätzt: Wer in NRW zum Thema Wachstum von „zwei Nullen“ spreche, müsse schon aktiv darauf hinweisen, dass er nicht die Ministerpräsidentin und ihre Stellvertreterin meine.