LEG-Verkauf: 93.000 Wohnungen wandern in die Hände eines Immobilienfonds
Trotz der erarbeiteten Sozialcharta bringen Mieterbund und Opposition schwere Bedenken vor.
Düsseldorf (AFP). Nordrhein-Westfalen verkauft seine Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) mit 93.000 Wohnungen an den Immobilienfonds der US-Investmentbank Goldman Sachs, Whitehall.
Das Geschäft hat nach Angaben des NRW-Finanzministeriums vom Mittwoch ein Gesamtvolumen von 3,4 Milliarden Euro; Whitehall zahlt demnach knapp 790 Millionen Euro und übernimmt die Schulden der LEG.
Die Landesregierung sprach von einem "sehr guten Preis" und verwies darauf, dass eine "einzigartige Sozialcharta" zur Wahrung der Interessen von Mietern und Beschäftigten Vertragsbestandteil sei. Dagegen nannte der Mieterbund den Schritt "falsch, feige und unwirtschaftlich".
Nach Angaben von NRW-Finanzminister Helmut Linssen (CDU) wurde der Verkauf in der Nacht zum Mittwoch besiegelt. Landesbauminister Oliver Wittke (CDU) bezeichnete die Sozialcharta als "ganz wesentlichen Bestandteil des Kaufvertrages". "Damit haben die Mieter einen umfangreichen Schutz."
Der Charta zufolge werden für einen Zeitraum von zehn Jahren unter anderem Mietererhöhungen begrenzt und Kündigungen wegen Eigenbedarfs vor Ablauf des Mietverhältnisses ausgeschlossen. Außerdem wird darin ein Verzicht auf Luxussanierungen festgeschrieben, ebenso ein lebenslanges Mietrecht für Mieter über 60 Jahre.
Mieterbund-Präsident Franz-Georg Rips kritisierte, die LEG-Mieter müssten sich darauf einstellen, dass künftig eine internationale Kapitalgesellschaft mit ihnen und ihren Wohnungen Geschäfte machen werde. "Heuschrecke bleibt Heuschrecke, da hilft auch keine Sozialcharta", erklärte Rips in Berlin. "Die ist nicht mehr als 'weiße Salbe'."
In anderen Ländern und Kommunen sei der Verkauf öffentlicher Wohnungen kein Thema mehr. "Hier wurde erkannt, dass bei einer vernünftigen Bewirtschaftung und Verwaltung der Wohnungsbestände attraktive Einnahmen für die Staatskasse zu erzielen sind."
Laut Mieterbund wird der Whitehall-Fonds mit dem LEG-Kauf zu einem der größten Immobilienkonzerne in Deutschland mit schätzungsweise rund 170.000 Wohnungen und großen Beständen an Gewerbeimmobilien. Der Landesregierung zufolge zählen zu den bedeutendsten Beständen des Immobilienfonds die Karstadt-Warenhäuser und die Deutsche Wohnungsbaugesellschaft GSW in Berlin.
Auch die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen im Düsseldorfer Landtag übten scharfe Kritik an dem Verkauf. Mit der Veräußerung der LEG "an den internationalen Immobilienspekulanten Whitehall" habe Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) die Mieter "einer ausschließlich profithungrigen Heuschrecke ausgeliefert", erklärte SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann warf Rüttgers ebenfalls vor, die "Gewinnmaximierung für den Landeshaushalt eiskalt über den Mieterschutz für 300.000 Menschen" zu stellen. Den Mietern der LEG-Wohnungen an der Rheinschiene drohe nun eine "Explosion der Mietkosten". Auch der DGB-Landesvorsitzende Guntram Schneider sprach von einem "Supergau für die Mieter".
Die CDU-Landtagsfraktion hob im Gegenzug hervor, die schwarz-gelbe Landesregierung habe die LEG "auf Basis einer beispielhaften Sozialcharta und als Ganzes veräußert". Das gewährleiste den Schutz von Mieter und Mitarbeitern "sowie den Schutz vor Zerschlagung", betonte CDU-Fraktionsvize Bernd Schulte. Dagegen habe der rot-rote Berliner Senat Wohnungsbaubestände an Whitehall ohne Sozialcharta verkauft.