Gesundheit: Die Kliniken bluten aus
Die Krankenhäuser klagen über explodierende Kosten. Experten erwarten eine stärkere Zentralisierung der Versorgung.
Düsseldorf. Richard Zimmer greift zu drastischen Worten: "Die Politik lässt die Krankenhäuser finanziell ausbluten", wetterte er am Dienstag in Düsseldorf. Die sich weiter verschlechternde Finanzsituation der Kliniken bringt den Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft NRW auf die Palme: Danach rollen in diesem und dem kommenden Jahr 1,8 Milliarden Euro an zusätzlichen Kosten auf die rund 440 Kliniken zu - insbesondere wegen der steigenden Energie- und Lebensmittelpreise und den Tariferhöhungen beim Personal.
Über jeder dritten Klinik kreise mittlerweile der Pleitegeier - bereits elf Prozent der Häuser könnten die Patientenversorgung nur sicherstellen, weil das Personal auf finanzielle Zulagen verzichte, sagt Zimmer. Grund: Die von der Politik durchgesetzte Deckelung beim Budget. So stünden den 1,8 Milliarden Euro Mehrausgaben nur rund 220 Millionen Euro durch die regulären Budget-Steigerungen gegenüber, bemängelte Zimmer.
Er fordert die Bundespolitik daher auf, bei den Budgetsteigerungen endlich die realistischen Kosten der Krankenhäuser zu berücksichtigen. Die NRW-Landesregierung rief er auf, die Investitionskosten von 500 Millionen Euro pro Jahr auf rund 1,1Milliarden Euro anzuheben.
Gemeinsam mit den Gewerkschaften Verdi und Marburger Bund will die Krankenhausgesellschaft nun ein Aktionsbündnis gründen, um den Druck auf die Bundespolitik zu erhöhen. Ziel sei, die gesetzliche Deckelung der Klinikbudgets zu beenden. Rückendeckung dafür kam von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Für eine Aufstockung der Investitionspauschale, die vom Land gezahlt wird, sieht das Ministerium dagegen keine Spielräume.
Doch selbst wenn sich die finanziellen Rahmenbedingungen verbessern, werden wegen des steigenden Kostendrucks bis 2020 rund zehn Prozent der Krankenhäuser schließen müssen, prognostiziert das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Daher sei es an der Zeit, über Änderungen an der Struktur nachzudenken, sagte Boris Augurzky vom RWI. Denn der Experte sieht in dem Konzentrationsprozess durchaus eine Chance, auch für Patienten. So sei insbesondere in den Ballungsgebieten eine stärkere Zentrierung der Klinikversorgung sinnvoll. Der Patient profitiere von einer steigenden Qualität der Versorgung.
Die Krankenhausgesellschaft sieht das anders und warnt vor Nachteilen für Patienten durch die Schließung weiterer Kliniken. "Für den Patienten bedeutet das längere Wege", so Zimmer.
Einen weiteren Ausweg aus der Finanznot sieht das RWI in der Privatisierung kommunaler Kliniken. Häuser, die höhere Gewinne machten, seien nicht per se schlechter, sagte Augurzky. Andererseits seien die kommunal geführten Kliniken auch deshalb in einer finanziell schlechteren Situation als die kirchlichen oder privaten, weil politische Einflussnahme oftmals notwendige Strukturänderungen behindere.
Auch in unserer Region waren in der Vergangenheit kommunale Kliniken privatisiert worden, weil sie sich in Finanznot befanden. 2003 übernahm der Helios Konzern die Städtischen Kliniken Wuppertal sowie erst kürzlich das Klinikum Krefeld. In Düsseldorf wurden zwei Kliniken an den privaten Betreiber Sana verkauft.