Nach Seitenwechsel der Steuerfahnder findet Walter-Borjans deutliche Worte
Die Wuppertaler Steuerfahndung verliert zwei erfahrene Mitarbeiter, die künftig für die Gegenseite arbeiten. Norbert Walter-Borjans, ehemaliger Finanzminister von NRW, kennt die beiden Beamten. Im Interview mit unserer Zeitung äußert sich der 65-Jährige ausführlich zu den Hintergründen.
Herr Walter-Borjans, zwei erfahrende Mitarbeiter der Wuppertaler Steuerfahndung wechseln ausgerechnet zur Gegenseite und beraten für eine renommierte Anwaltskanzlei Mandanten in Sachen Steuern. Kommt das für Sie überraschend?
Norbert Walter-Borjans: Das ist ein schwerer Rückschlag für die Steuerfahndung. Ich kann über die beiden kein moralisches Urteil sprechen. Als ich noch Finanzminister war, habe ich immer wahrgenommen, wie Steuerfahnder und Betriebsprüfer für ihre Aufgabe brennen und lukrativen Angeboten widerstanden. Die beiden, die jetzt wechseln, gehörten auch dazu. Doch jetzt war es wohl so, dass sie für sich keine Perspektive mehr in der Verwaltung gesehen haben. Wenn der Eindruck entsteht, dass man mit seinem Einsatzwillen ausgebremst wird, sagt man sich irgendwann: Dann doch lieber woanders für mehr Geld arbeiten.
Aber was ist es, was die Motivation bremst?
Walter-Borjans: Ich unterstelle meinem Nachfolger nicht, dass er in Sachen Steuerfahndung aktiv etwas ändern will. Er hat ja auch gesagt, dass er gegebenenfalls weiterhin Steuer-CDs ankaufen will. Aber es ist doch ein allgemeiner Eindruck des Schleifenlassens entstanden. Und ein Unterlassen kann zum gleichen Ergebnis führen wie ein aktives Tun. Die Kreativität in den Ämtern hängt doch davon ab, dass die Mitarbeiter das Gefühl haben: Das, was wir tun, ist so auch von oben gewollt. Das Finanzamt Wuppertal war doch in den vergangenen Jahren die erste Adresse für Whistleblower. Wenn einer im Zürcher Bankenviertel das Wort Wuppertal sagt, dann denken bestimmt nicht mehr alle zuerst an die Schwebebahn, sondern vor allem an die erfolgreiche Steuerfahndung. Der frühere Leiter Peter Beckhoff wusste immer, dass er die erforderliche Rückendeckung hat.
Aber der ist ja nun schon ein Jahr in Pension.
Walter-Borjans: Umso wichtiger wäre es gewesen, diejenigen, die mit ihm eng zusammengearbeitet haben, in Führungspositionen zu bringen. Um für Kontinuität zu sorgen. Dass das nicht geschehen ist, ist ein verhängnisvolles Signal auch für andere Ämter, die sich mit Steuerfahndung befassen. Das ist das eigentlich Schlimme an diesem Vorgang. Dass auch andere sich entmutigt fühlen können.
Sie haben auf Twitter geschrieben, dass da sehenden Auges eine bestens aufgestellte Steuerfahndung vor die Wand gefahren wird. Da würden wohl ein paar Champagnerkorken knallen. Wo wird der Champagner getrunken?
Walter-Borjans: Bei denen, die sich demnächst nicht mehr mit solch einem Verfolgungsdruck konfrontiert sehen.
Aber Deloitte Legal, für die die beiden „übergelaufenen“ Steuerfahnder nun arbeiten, sagt doch lediglich, dass ihre neuen Kollegen die Mandantschaft „bei der rechtssicheren Umsetzung steuerlicher Vorgaben in der Finanzwirtschaft oder Industrie unterstützen“.
Walter-Borjans: Ich sage es vorsichtig: Deloitte Legal hat die beiden bestimmt nicht auf seine Seite gezogen, um von jetzt an privat die Steuerhinterziehung zu bekämpfen.