NRW-Integrationsminister Armin Laschet: „Das war ein guter Gipfel“

Interview: NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) ist vom Gipfel-Boykott der Türken-Verbände allerdings enttäuscht.

<strong>Düsseldorf. Herr Laschet, es ist Gipfel, und viele gehen nicht hin. Ist der Integrationsgipfel gescheitert?Laschet: Nein, im Gegenteil. Das war ein guter Gipfel mit einem guten Ergebnis. Wir haben erstmals einen Nationalen Integrationsplan. Der ist von allen Verbänden im vergangenen Jahr in einer konstruktiven Atmosphäre erarbeitet worden. Übrigens waren da auch die vier großen türkischen Dachverbände dabei, die gestern fehlten. Haben Sie denn Verständnis für das Fernbleiben der türkischen Dachverbände?Laschet: Ich bedauere das und halte es für einen Fehler. Wer Kritik übt, muss sie auch vortragen. Und wo wäre die Gelegenheit besser gewesen als bei diesem Gipfel - in Anwesenheit der Kanzlerin, mehrerer Ministerpräsidenten und der halben Bundesregierung? Ich erinnere an ein Wort von Herbert Wehner: Wer heraus geht, muss auch wieder herein kommen. Die türkischen Verbände haben vor allem die Verschärfungen im Einwanderungsgesetz kritisiert. Warum muss eine nachgereiste Braut aus der Türkei eine Sprachprüfung nachweisen, eine Japanerin aber nicht?Laschet: Beim Gesetz sind Ausnahmeregelungen geschaffen worden, um hochqualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben zu können. Zu den Ausnahmen zählen Japan, aber auch Länder wie die USA und Kanada. Ich halte es nach wie vor für richtig, dass junge Türkinnen einen bestimmten deutschen Wortschatz haben, wenn sie hier ihr Leben beginnen. Und das funktioniert mit dem bisherigen Angebot?Laschet: Es ist ein Anfang. Die Stundenzahl der Sprachkurse wird erhöht. Aber wichtig ist vor allem: Wir stärken die Stellung der jungen Türkinnen. Wer die Sprache nicht versteht, wird isoliert leben, die Wohnung nicht verlassen, am Leben nicht teilhaben. Das wollen wir verhindern. Nach den bisherigen gesetzlichen Regelungen müssen Nicht-EU-Ausländer einen Mindestverdienst von mehr als 84 000 Euro im Jahr nachweisen, um hier eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Ist diese Grenze praktikabel?Laschet: Nein, ich halte sie für zu hoch. Wir haben exakt 913 Hochqualifizierte, die im vergangenen Jahr auf diesem Wege eine Erlaubnis bekommen haben. Das ist eindeutig zu wenig, wenn wir unsere Probleme etwa bei der Besetzung von Ingenieurstellen beheben wollen. Wir müssen den Wert auf etwa 60 000 Euro Jahresverdienst absenken. Nordrhein-Westfalen hat im Bundesrat einen Vorstoß dazu gemacht, jetzt hoffen wir, dass die SPD in der Bundesregierung ihren Widerstand aufgibt. In Berlin wird über Integration geredet, doch NRW ist als größtes Bundesland, in dem auch die meisten Ausländer leben, nicht dabei. Wie kommt das?Laschet: Im vergangenen Jahr waren wir dabei. In diesem Jahr sind andere Länder dran. Sind Sie nicht sauer?Laschet: Nein. Wir haben die Länderposition vorbereitet und wir werden auch jetzt am Erfolg mitarbeiten. In Berlin sind alle für Integration - Parteien ebenso wie Kirchen und die allermeisten Moslems. Die Kölner erleben das Miteinander mit Moslems ganz anders. Dort soll eine Riesen-Moschee entstehen. Ist das nicht zuviel der Toleranz?Laschet: Grundsätzlich ist es vollkommen in Ordnung, wenn eine große religiöse Gruppe ein Gotteshaus bauen will und dies auch erlaubt wird. Die äußeren Formen sind Gegenstand der lokalen Diskussion und müssen auch in der Kommune entschieden werden. Günter Wallraff will in der Kölner Moschee aus Rushdies "Satanischen Versen" lesen, um die Toleranz der Moslems zu testen. Was halten Sie davon?Laschet: Niemand würde von Kardinal Meissner erwarten, Eugen Drewermann im Kölner Dom predigen zu lassen. Ich halte das für einen skurrilen Vorschlag, der nicht weiterführt. Man kann über die "Satanischen Verse" diskutieren, aber das muss nicht in einem Gotteshaus sein.

Kommentar: Das Ende der Verlogenheit
von Friedrich Roeingh

Friedrich Roeingh, Westdeutsche Zeitung
Herbert Wehner hat es seinerzeit auf den Punkt gebracht: Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen. Die türkischen Verbände, die den Integrationsgipfel boykottiert haben, haben sich einen Bärendienst erwiesen. Und auch ihre Klage gegen die Novelle des Zuwanderungsgesetzes wird keinen Bestand haben. Der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes steht unterschiedlichen Anforderungen an den Zuzug Familienangehöriger verschiedener Nationen ebenso wenig entgegen wie der völlig unstrittigen Differenzierung der Visumspflicht nach Herkunftsländern. Endlich bricht die Integrationspolitik der Bundesrepublik mit dem verlogenen Prinzip der Political Correctness. Sie kann nur erfolgreich sein, wenn sie sich an konkreten Problemen wie der mangelnden Integration und der Diskriminierung türkischer Frauen statt an Wunschbildern orientiert. Das Einwanderungsland Deutschland braucht aber nicht nur Regeln, um seine Probleme zu lösen. Im nächsten Schritt müssen Anreize her, die dieses Land für qualifizierte Zuwanderer attraktiv machen.