NRW-Unterkünfte: „Flüchtlinge kaum als Menschen wahrgenommen“
In vielen Unterkünften in NRW steht es nicht gut um die Stimmung, sagt Zuwanderungsexperte Helge Hohmann.
Düsseldorf/Schwerte. Sie sind aus ihrer Heimat geflohen und landen oft in völlig überfüllten Flüchtlingsunterkünften: Die Asylbewerber in NRW werden nach Einschätzung des Zuwanderungsexperten der Evangelischen Landeskirche Westfalen kaum noch als Menschen wahrgenommen. Den Betreibern der Flüchtlingsunterkünfte gehe es vor allem darum, den „Deckel auf dem Kessel“ zu halten, kritisiert Pfarrer Helge Hohmann.
Herr Hohmann, was belastet die Flüchtlinge in den Unterkünften Ihrer Erfahrung nach am meisten?
Helge Hohman: Dass sie nicht zur Ruhe kommen können, das ist das Schlimmste. Die Flüchtlinge haben eine lange, kräftezehrende Flucht hinter sich, werden dann noch von Ort zu Ort geschoben und müssen immer bangen, wie über ihren Asylantrag entschieden wird. Hinzu kommt die massive Präsenz der Sicherheitsleute. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Flüchtlinge aus Ländern kommen, in denen staatliche Organe eine Bedrohung darstellen. In den Heimen finden sie nun Uniformierte vor, die nicht nur den Ein- und Ausgang überwachen, sondern noch die Kleider- und Essensausgabe. Das alles dient nicht zu, das Vertrauen zu stärken.
Sie haben neun Fachkräfte in den Erstunterkünften des Landes im Einsatz. Von welchen Problemen berichten die Kollegen?
Hohmann: Die Flüchtlinge sollen eigentlich drei Monate in einer zentralen Unterkunft bleiben, registriert und dann angehört werden. Aktuell werden sie jedoch teilweise ohne Registrierung und Anhörung von einem Tag auf den anderen in die Kommunen gebracht. Die Kollegen kommen gar nicht zu ihrer Beratungstätigkeit. Sie müssen die Flüchtlinge beruhigen und ihnen Fragen beantworten. Unsere Mitarbeiter werden extrem beansprucht, kommen kaum hinterher.
Das größte Problem?
Hohmann: Der Flüchtling wird als Massenphänomen behandelt. Es sind nicht die Kapazitäten da, sich jedem zuzuwenden. Das vordinglichste Ziel ist nur noch, die Obdachlosigkeit zu vermeiden. Wenn die Heime dann überbelegt sind, verschiedene Kulturen aufeinanderstoßen, steigt der Stress zusätzlich. Die Betreiber versuchen nur noch, den Deckel auf dem Kessel zu halten.