Razzia: Unappetitliche Ermittlungen
Der größte Fleischerzeuger in NRW soll Lieferanten und die Endkunden betrogen haben.
Düsseldorf. Auf ihrer Internet-Seite erscheint die Firma Tönnies wie ein deutsches Modellunternehmen. Doch das schöne Selbstbild ist möglicherweise nur eine Fassade: Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität Bochum, das NRW-Landeskriminalamt und die Steuerfahndung starteten am Mittwoch eine Großaktion gegen den größten deutschen Fleischerzeuger. Beamte durchsuchten Firmen- und Privaträume in NRW, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie auf Zypern.
"Wir führen gemeinsam mit dem Landeskriminalamt seit vergangenem Dezember ein Ermittlungsverfahren, das sich unter anderem gegen den Inhaber und eine Vielzahl weiterer Verantwortlicher des Unternehmens richtet", erklärte Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek, Sprecher der Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft, Mittwoch gegenüber unserer Zeitung.
Bienioßek betonte, dass es dabei keine Anhaltspunkte für eine Verarbeitung oder einen Verkauf von so genanntem Gammelfleisch gebe: "Gegenstand des Verfahrens ist im Wesentlichen der Verdacht des Betruges zum Nachteil von Lieferanten und Abnehmern von Endprodukten sowie der illegalen Arbeitnehmerüberlassung." Details wollte Bienioßek "aus ermittlungstaktischen Gründen" nicht nennen.
Das Unternehmen soll nach Informationen unserer Zeitung aus Ermittlerkreisen "die Abnehmer über die gelieferten Fleischmengen und deren Zusammensetzung getäuscht" haben. Im Klartext: Die Endverbraucher haben möglicherweise nicht das Produkt erhalten, für das sie bezahlt haben.
Möglich wäre beispielsweise eine Verringerung des Rindfleischanteils beim beliebten Mett: statt "halbe-halbe" mit preiswerterem Schweinefleisch läge dann der Rindfleischanteil vielleicht nur bei 30 bis 40 Prozent. Oder die teure Kalbsleberwurst enthält statt Kalbfleisch ganz andere, preiswertere Fleischsorten. Oder der Kochschinken ist aus wahllos gemischten Fleischstücken zusammengepresst. Das Produkt ist dann zwar immer noch gesundheitlich völlig unbedenklich, aber es ist eben nicht das Produkt, das der Kunde mit seinem Geld kaufen wollte.